Gesellschaftliche Transformationen und neue Krisen fordern neue Beschreibungen der Gesellschaft. So lässt auch die ökologische Krise kein Wissensfeld unberührt. Auch die Soziologie muss sich befragen lassen, inwiefern sie zu einem bloß vergegenständlichenden Verständnis von Natur mitgeprägt hat, das als die passive Materie von als aktiv bzw. subjekthaft gedachter Gesellschaft und Kultur getrennt und ihnen gegenüberstellt wird. Wenn die Soziologie zu einem radikalen Umdenken beitragen will, muss sie ihre Theorien und Begrifflichkeiten, die zu sehr in dem modernistischen Denken verwurzelt sind, gründlich überprüfen. Genau mit diesem Anspruch ist der französische Soziologe, Philosoph und Wissenschaftsanthropologe Bruno Latour aufgetreten: Eine andere Soziologie für eine andere Gesellschaft , so lautet das programmatische Ziel der Akteur-Netzwerk-Theorie für die Soziologie. Latour ist ein origineller Denker, der mit seinen eigensinnigen Begrifflichkeiten und Ideen gewohnte Denkweisen irritiert, gleichwohl auch Alternativen anbietet. Was waren wir denn sonst, wenn wir nie modern gewesen sein sollen? Mit dieser Fragestellung bietet Latour einen neuen Ansatz des Kulturvergleichs an. Wie ist das Parlament der Dinge zu verstehen, in dem auch Gewässer, Wälder und Tiere vertreten sein sollen? Wieso soll die Gaia-Hypothese nicht bloß eine mystifizierende Rückkehr zur Mutter Natur bedeuten, wie kann sie uns jedoch für unsere unmittelbare Eingebundenheit in die einzig lebensermöglichende Kritische Zone sensibilisieren? Welche Gegenwartsdiagnosen und Zukunftsvisionen lassen sich mit dem terrestrischen Manifest formulieren? Das Lektüre-Seminar befasst sich mit ausgewählten Texten von Bruno Latour, um die Fragestellung, Natur und Kultur neu zu denken. Es wird Einblick in die Theoriebildung und neuere Ansätze gewonnen, die mit aktuellen Gegenwartsdiagnosen verbunden sind. Die Lektüre wird mit konkreten praktischen Fragen und Problemen verbunden.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WT 2024/25