Seit dem hohen Mittelalter kam den Trägern von Sonderwissen in europäischen Gesellschaften eine gesteigerte soziale Relevanz zu. Vor allem mit der Entstehung der Universitäten bildete sich eine akademische Expertenkultur heraus, deren Repräsentanten mit dem Anspruch auftraten, passgenaues Wissen für spezifische Problemlagen zu liefern. Studierte Experten hatten mitunter ein Interesse daran, die praktische Relevanz ihres Spezialwissens auszuweisen und an ihre gesellschaftliche Umwelt zu kommunizieren. Besonders die Höfe des späteren Mittelalters waren dabei Orte, an denen Trägerinnen und Träger von Sonderwissen danach strebten, den Nutzen ihrer Expertise zu erweisen, wodurch sich nicht selten auch Konkurrenzen zwischen verschiedenen Expertengruppen im höfischen Milieu ergaben. Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass gelehrte Experten während des späteren Mittelalters von unterschiedlichen Seiten zunehmend um Stellungnahmen in aktuellen Konflikten ersucht wurden. Gutachten wurden dann herangezogen, um politisches Handeln daran auszurichten oder bereits beschlossene Maßnahmen durch die Begründungen gelehrter Experten zu legitimieren. Welche Agency den Trägerinnen und Trägern von Spezialwissen dabei zukam, um politisches Handeln zu beeinflussen, oder inwieweit ihr symbolisches Kapitel lediglich instrumentalisiert wurde, um schon im Vorfeld getroffene Entscheidungen zu rechtfertigen, ist eine Frage, die im Seminar zu diskutieren sein wird. Die Veranstaltung behandelt damit das Verhältnis von Wissen und Macht in den Gesellschaften des europäischen Spätmittelalters und hat auf diese Weise zum Ziel, die Strukturen spätmittelalterlicher Expertenkulturen in ihren politischen Kontexten herauszuarbeiten.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2024