Zählen Frauen zu jenen „stummen Zeugen“ (A. Gurjewitsch), die das Weltgeschehen des Mittelalters lediglich passiv verfolgten und ertragen mussten? Vermutlich hätten bereits Zeitgenossen der Epoche einer solchen These widersprochen. Wie der Dichter Freidank am Beginn des 13. Jahrhunderts hätten sie auf die Vielgestalt und Differenziertheit weiblicher Lebensformen verweisen können: „Wär’ der Himmel Pergament, / die Erde wie das Firmament, / und alle Sterne Pfaffen, / die Gott als Schreiber hat erschaffen, / man könnt dort kaum erschauen, / die vielen Wunder von den Frauen!“ Das Proseminar will sich dieser historischen ‚Wunderwelt’ anhand ausgewählter Akteurinnen und Aspekte annähern. Beleuchtet werden dabei Vielfalt und Widersprüchlichkeit der weiblichen Rolle in Recht, Moraldidaxe und Minnedichtung. In den Mittelpunkt rücken zugleich Herrscherinnen und Heilige, Heiratsobjekte und heimliche Regentinnen, Außenseiterinnen und gefeierte Vorbilder. Zu erhellen gilt es die historischen Hintergründe und individuellen Handlungsspielräume weiblicher Lebensgestaltung in der Welt des Mittelalters. Am konkreten Beispiel sollen zugleich grundlegende Hilfsmittel, Arbeitstechniken und Methoden der Mittelalterforschung eingeübt werden.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2024