Gut zwanzig Jahre lang, von 1772 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1796, hielt Kant in jedem Wintersemester eine Vorlesung über Anthropologie oder Menschenkunde. Seiner Vorlesungsskripte kompilierte er zur Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Das Buch war, wie zuvor schon die Vorlesungen, beim Publikum beliebt, obwohl oder vielleicht auch weil es mit den Hauptwerken Kants auf den ersten Blick wenig gemein hat. Die Anthropologie in pragmatischer Hinsicht ist erfahrungsbezogen und vergleichsweise populär geschrieben; man sie also gut verstehen, selbst wenn man sich zuvor allenfalls oberflächlich mit Transzendentalphilosophie oder Kantischer Ethik befasst hat. Kants erklärtes Anliegen war es, dass die Leserschaft etwas für ihr Leben lernen sollten. Auf breiter psychologischer Basis will er hier darlegen, wie man mit Menschen, einschließlich der eigenen Person, sinnvollerweise umgeht. Dies ist die „pragmatische Hinsicht”, in der Kant seine Anthropologie sieht. Zugleich lassen sich zahlreiche Bezüge zu Kants Hauptwerken erkennen: Themen der kritischen Philosophie werden auch in der Anthropologie aufgegriffen. Wichtige psychologische Vermögen (Erkenntnisvermögen, Begehrungsvermogen, Sinnlichkeit) werden erklärt. Die Anthropologie liefert insbesondere einen empirischen Hintergrund für Kants Ethik und Ästhetik und erleichtern deren Verständnis.

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