Von Anfang an stehen zentrale Fragen des Verhältnisses zwischen Mensch und Maschine im Mittelpunkt der Debatten um Künstliche Intelligenz. Neben der Adaption kognitiver Fähigkeiten werden inzwischen mit der Emotionalen Künstlichen Intelligenz auch affektive Fähigkeiten des Menschen in die technische Reproduzierbarkeit einbezogen, sodass die Annäherungsdimensionen von Mensch und KI die klassische Frage nach dem Unterschied zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz heute übersteigen. In Bezug auf die verstärkte Nähe Künstlicher Intelligenz zum Menschen und ihre Verflechtungen mit der Lebenswelt ist eine zunehmende Verselbständigung hinsichtlich der Anpassungs- und Lernfähigkeit beobachtbar. Dadurch stellt Künstliche Intelligenz in der Geschichte der Technik eine Neuheit dar. Der Anschein an Autonomie, den Künstliche Intelligenz mittlerweile mit sich führt, wirft unter anderem Probleme wie den Rechtsstatus, die Zuschreibbarkeit von Verantwortung, die Möglichkeit des Verstehens und grundlegend die Frage nach dem Bewusstsein auf. Aus diesen Umrissen ergibt sich die für das Verhältnis zwischen Künstlicher Intelligenz und Mensch zentrale Frage nach der personalen und sozialen Identität, der wir uns im Seminar widmen wollen. Damit fragen wir einerseits danach, inwieweit Künstliche Intelligenz soziale Positionen und Rollen (soziale Identität), andererseits aber auch, inwieweit sie ein Verhältnis zu sich als Selbst einnehmen kann (personale Identität). Die Relevanz dieser Fragestellung ergibt sich aus der Tragweite der Veränderungen des menschlichen und sozialen Lebens: Künstliche Intelligenz hat einen immer größeren Einfluss auf die Selbstbeschreibungen des Menschen. Aus einem soziologischen Denken heraus begegnen wir dem Seminarthema zunächst mit der Beschreibung personaler und sozialer Identität aus einer sozialisationstheoretischen Perspektive heraus, die die Entwicklung eines individuellen und sozialen Selbst, das der Mensch in mannigfaltigen sozialen Beziehungen und Prozessen der Vergesellschaftung ausbildet, fokussiert. Anschließend nehmen wir die zunehmende Durchdringung der Lebenswelt durch Künstliche Intelligenz zum Anlass, uns nicht etwa klassischen geisteswissenschaftlichen Debatten anzuschließen und nach Unterschieden zwischen KI-Systemen und Menschen zu fragen, sondern die mögliche und sich abzeichnende Transformation der Künstlichen Intelligenz in Richtung einer personalen und sozialen Identität zu erkunden. Dabei versuchen wir, weder in eine Opposition von Mensch und KI zu verfallen noch die Künstliche Intelligenz zu vermenschlichen oder den Menschen maschinisch aufzulösen, sondern den Blick darauf zu richten, was sich gegenwärtig in Bezug auf die Personalität und Sozialität Künstlicher Intelligenz in den Zwischenräumen abzeichnet und wie sich eine soziologische Perspektive darauf entwickeln lässt.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2024