Der Parteienstreit zwischen den sogenannten „Klassizisten” oder „Traditionalisten” auf der einen und den „Neudeutschen” bzw. der „Fortschrittspartei” auf der anderen Seite schlug hohe Wellen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der mitteleuropäischen Musik.

Die erste Gruppe setzte sich zusammen u.a. aus dem in Musikerkreisen schon damals hochgeschätzten jungen Johannes Brahms, dem einflussreichen Geiger und Brahms-Förderer Joseph Joachim, dem (lange in Münster wirkenden) Komponisten und Dirigenten Julius Otto Grimm,
dem Dirigenten des Breslauer Orchestervereins Bernhard Scholz, sowie später dem Brahms und seine Musik bewundernden Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick.

Auf der Seite der „Neudeutschen” fanden sich zunächst der Musikkritiker und Journalis Franz Brendel, der 1844 die Nachfolge Robert Schumanns als Leiter der Leipziger „Neuen Zeitschrift für Musik” antrat sowie die Komponisten Hector Berlioz, Franz Liszt, Richard Wagner und später Hugo Wolff,  schließlich wurde Anton Bruckner als symphonischer Gegenspieler Brahms’ ohne eigene Aktivität in diesen Parteienstreit mit hineingezogen.

Auffällig ist, dass die maßgeblichen Komponisten der „Neudeutschen” (Berlioz und Liszt) keine Deutschen waren und Richard Wagners Schwerpunkt trotz zweier  kaum bedeutender früher Sinfonien im Komponieren von Opern/Musikdramen bestand. Gleichwohl ist Wagner durch seine phänomenale Art der Orchestersprache und sein Schrifttum eine entscheidende Gestalt in diesem Parteienstreit.

1860 erschien ein kurzes Manifest, in dem die vier Unterzeichner Brahms, Grimm, Joachim und Scholz ihren Unmut darüber bekunden, dass die NZfM unter Franz Brendel in ihren Rezensionen und Artikeln eben die musikalische und musikästhetische Richtung bevorzuge und fördere,  die dem ästhetischen Empfinden der Unterzeichner zuwider war, nämlich die Programm-Sinfonien von Berlioz’ und insbesondere die Sinfonischen Dichtungen Franz Liszts

Im Seminar soll diese Weichenstellung zu der großen Frage, wie es mit der Sinfonie nach Beethoven weitergehen könne, umfassend aufgearbeitet werden.

Johannes Brahms hat mehrfach in Münster konzertiert und am 25. Januar 1881 in Münster in einem Sinfoniekonzert im Theater u.a. seine zweite Sinfonie dirigiert
und als Pianist Robert Schumanns halbstündige C-Dur-Fantasie op.17 gespielt. 

Es ist vorgesehen, dass die Studierenden Referate („Mitgestaltung einer Veranstaltungseinheit einer Veranstaltungsreihe”) halten, in denen sie konzentriert bestimmte Aspekte ausarbeiten und zur Diskussion stellen.


Als Seminarleiter übernehme und ergänze ich entsprechend. Es sollen also nicht die kompletten Sitzungen mit Referaten zugebracht werden. Wie immer geht es in meinen Seminaren um einen Einblick in die entsprechende Epoche anhand großer Komponisten und deren Schaffen.  Wir werden natürlich viel hören und zur Repertoire-Kenntnis beitragen, ohne die Diskussionen über Komponisten sinnlos wären.

 

Wer teilnehmen möchte, sollte bereit sein, Werke kennenzulernen und im Referat vorzustellen. Literaturhinweise kommen, ein Seminar-Apparat mit den wichtigsten Titeln wird eingerichtet, Materialien werden wie üblich im Learnweb verfügbar sein.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2024