Zusammenfassung


Liberale Demokratien zeichnen sich durch eine Diversifizierung von geschlechtlichen Identitätsformen aus. Ausprägungen finden sich in verschiedenen Bereichen: Im deutschen Rechtssystem beispielweise in dem 2018 eingeführten Divers-Geschlecht (PStG §22) sowie für 2025 geplanten „Selbstbestimmungsgesetz” (SBGG), im Gesundheitssystem im 2021 erlassenen Operationsverbot an intergeschlechtlichen Kindern (BGB §1631e), oder im Sport in der 2022 vom Deutschen Fußballbund (DFB) offiziell beschlossenen Inklusion von nichtbinären Personen. Zugleich wird dieser Prozess von geschlechterpolitischen Kontroversen flankiert, die die Erweiterung des Geschlechterspektrums mit Bezug auf Themen wie das sprachliche Gendern, die Aufklärung über queere Lebensformen in Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universitäten oder die medizinische Behandlung transgeschlechtlicher Kinder zum Gegenstand emotional besetzter öffentlicher und politischer Debatten machen. Vor diesem Hintergrund variiert die gegenwärtige Bewertung dieser Entwicklung zwischen freiheitlicher Diversifizierung und apokalyptischer Enttraditionalisierung.

 

Das Ziel der Lehrveranstaltung ist es, aus der kollektiven Sogwirkung der emotionalen Bewertung zu treten und die Diversifizierung von Geschlecht als Transformation von Wissen zu untersuchen. Hierzu werden wir in der Lehrveranstaltung methodisch angeleitet und empirisch abgesichert danach fragen, wie sich der Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt konkret artikuliert, wie sich ein neuer Umgang mit Geschlecht als neue Form der diskursiven Aushandlung vollzieht und welche diskursiven Deutungskämpfe sich beobachten und nachweisen lassen. Um das methodische Rüstzeug zu erwerben, erlernen Sie die Durchführung
diskursanalytischer Projekte – von der Entwicklung der Forschungsfrage über die Erhebung der Forschungsdaten bis hin zur Analyse und Präsentation der Forschungsergebnisse.

 

Prüfungsleistung:

Hausarbeit (13-15 Seiten)

 


Ausgewählte Literatur


Bublitz, Hannelore; Bührmann, Andrea D.; Hanke, Christian; Seier, Andrea (1999): Das Wuchern der Diskurse. Perspektiven der Diskursanalyse Foucaults. Frankfurt a.M., New York: Campus.
Butler, Judith (2009): Die Macht der Geschlechternormen. Frankfurt a.M: Suhrkamp.
Fausto-Sterling, Anne (1993): The Five Sexes: Why Male and Female are not enough. In: The Sciences March/April, S. 20-25.
Keller, Reiner (2011): Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen. Wiesbaden: VS, S. 65-81.
Krämer, Dennis (2022): Queer Studies. In: Gugutzer, Robert; Klein, Gabriele; Meuser, Michael (Hrsg.): Handbuch Körpersoziologie 1. 2. Aufl. Wiesbaden: Springer VS, S. 395-409.
Krämer, Dennis (2020): Intersexualität im Sport. Mediale und medizinischer Körperpolitiken. Bielefeld: transcript.
Jäger, Siegfried; Jäger, Margarete (2007): Deutungskämpfe. Theorie und Praxis Kritischer Diskursanalyse. Wiesbaden: VS.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2024