Traditionell wird Literatur als eine mimetische Darstellung von Welt begriffen, die sich auf die Diskurse der Gesellschaft bezieht und diese kritisch – als Konterdiskurs, so Rainer Warning – beleuchtet. Auf welche Weise sich aktuelle Romanciers des 20. und 21. Jahrhunderts mit gesellschaftspolitischen und religiösen Verhältnissen auseinandersetzen und welche Perspektiven sie auf die ökonomische, kommunikative, emotionale Situation gesellschaftlicher Verhältnisse werfen, soll Thema des geplanten Seminars sein. Wir beginnen unsere Lektüre mit Michel Houellebecq und dessen Darstellung ökonomisch entleerter Kommunikation, wie sie der frühe Roman Extension du domaine de la lutte (1994) für die französische Gesellschaft vorstellt, wir widmen uns dann dem erfolgreichen, journalistische Dokumentation und Romanfiktion verbindenden Text L’Adversaire (2000) von Emmanuel Carrère, der anschaulich zeigt, wie gesellschaftliche Banalität und verbrecherische Tat sich wechselseitig begünstigen. Mit Boualem Sansal und dessen von der Academie française 2015 ausgezeichneten Roman 2084. La fin du monde soll die kritische Reflexion des „radicalisme religieux“, der in die europäischen Gesellschaften eindringt, beleuchtet werden, mit der frankophonen, algerischen Autorin Maïssa Bey Entendez-vous dans les montagnes steht die autofiktionale Rekonstruktion der algerischen Vergangenheit im Spannungsfeld der modernen französischen Gesellschaft im Zentrum unserer Lektüre.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WT 2023/24