Roman Polanski ist einer der schillerndsten Regisseure unserer Zeit. Nach einigen Kurzfilmen brachte er 1962 in der VR Polen seinen ersten Spielfilm, Das Messer im Wasser (Nóz w wodzie), auf die Leinwand, der heute als einer der Klassiker der spezifischen mitteleuropäischen Nouvelle Vague gilt. In den darauffolgenden Jahrzehnten drehte er Filme in Großbritannien, den USA, Frankreich, Italien und Spanien und kehrte erst 2002 mit seinem Holocaustdrama The Pianist in sein Heimatland Polen zurück. Die ungewöhnliche Vielfalt seiner Schaffensstationen spiegelt sich im Facettenreichtum seiner Filme wider, von denen keiner dem anderen gleicht: vom Musical (Dance of the Vampires, 1967) über den Film Noir (Chinatown, 1974) bis zum Historienfilm (J’accuse, 2019), von der Theateradaption (Macbeth, 1971; Carnage, 2011; La Vénus à la fourrure, 2013) bis zum (Psycho-)Thriller (Cul-de-Sac, 1966; Frantic, 1988; The Ghost Writer, 2010) ist hier alles dabei. Aber auch sein eigenes Leben jenseits der Leinwand böte genug Stoff für einen Film: Als Kind knapp dem Holocaust entronnen und als junger Mann den Repressionen des sozialistischen Staatsapparats der VR Polen ausgesetzt, durchquert Polanski Europa, siedelt in die USA über, wo seine hochschwangere Ehefrau Sharon Tate 1969 von Mitgliedern der Manson-Sekte ermordet wird. 1977 landet er wegen des Beischlafs mit einer 13-jährigen für einige Wochen im Gefängnis – ein Verfahren, das ihn heute nach wie vor verfolgt und das er in historischem Gewand in seinem bisher letzten Spielfilm, J’accuse, verarbeitet.

Am 18. August 2023 feiert(e) Roman Polanski seinen 90. Geburtstag – ein guter Anlass für einen konzentrierten Durchgang durch sein grandioses Gesamtwerk, in dem sich die (Film-)Geschichte Europas und der USA seit 1960 in emblematischer Weise verdichtet. In dem Seminar wollen wir gemeinsam seine wichtigsten Filme ansehen, sie in ihren Besonderheiten erschließen, aber auch nach motivischen, thematischen und formalen Konstanten suchen, die dieses großartige Film- und Lebenswerk durchziehen.

Triggerwarnung: In vielen der von uns behandelten Filme finden sich Darstellungen unterschiedlicher Arten sowohl körperlicher als auch psychischer Gewalt. Aus mehreren Gründen werde ich nicht zu jeder Sitzung eine ausführliche Aufschlüsselung mit den entsprechenden Inhalten bereitstellen und belasse es daher bei dieser allgemeinen Warnung.

 

Es sind noch genügend Plätze frei, die Belegung der Veranstaltung ist auch weiterhin möglich

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2023/24