Kaum explizit wahrgenommen befinden sich in den meisten Städten oft mehr oder weniger abgeschlossene Räume, in denen Menschen psychiatrisch behandelt, dauerhaft verwahrt oder übergangsweise und zu Verwaltungszwecken gemeinschaftlich untergebracht werden. So auch in Münster, wie etwa das LWL-Psychiatrie-Gelände am Wienburgpark, die Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in der Oxford-Kaserne oder die inzwischen baufällige JVA in der Gartenstraße. Die Liste der sozialarbeiterischen, sicherheitspolitischen und medizinischen Einrichtungen ließe sich noch deutlich länger fortführen. Diese Institutionen dienen der Hilfe, der Besserung oder des Schutzes der Gesellschaft vor ‚gefährlichen Personen‘. In historischer und geographischer Perspektive zeigt sich, dass die Grenzen zwischen Normalität und Krankheit, Delinquenz, Abweichung nicht immer gleich gezogen wurden. Einhegung war und ist eine verräumlichte Machttechnologie, in der der Normalitätsbereich von Gesellschaft erst hervorgebracht wird. Nach diesem Verständnis ist die Gesellschaft keine objektive Gegebenheit, die sich auf neutralem Terrain konstituiert, sondern ein ständig umkämpftes Feld, was von Machtverhältnissen durchzogen ist und ein bestimmtes Bild von Normalität erzeugt. Um eine solche historische und keinesfalls neutrale Form der Gesellschaft zu (re-)produzieren, bedarf es mitunter dieser Institutionen. Dafür werden konkrete räumliche Konstellationen geschaffen, welche die Bearbeitung der Betroffenen durch unterschiedliche Machttechniken erleichtern sollen. Ziel des Projektseminars soll es sein, unterschiedliche Institutionen dieser Einhegung zu untersuchen, ihre räumlichen Strukturen in Zusammenhang mit ihren Verfahrensweisen zu identifizieren und in ihrer Verwiesenheit auf eben jene Normalitätsbereiche der Gesamtgesellschaft zu analysieren. Dabei sollen unterschiedliche Elemente dieser Machtverhältnisse wie Diskurse, Subjektivierungsweisen und Materialitäten untersucht und analytisch aufeinander bezogen werden.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2023/24