Als eines der ältesten Genres der Filmgeschichte hat sich der Horrorfilm trotz seiner strengen und repetitiven Form immer wieder als Aushandlungsort zeitgenössischer Diskurse herausgestellt. Anfang der 1990er-Jahre führten unter anderem Studien von Carol J. Clover (“Men, Women, and Chain Saws”, 1992) und Linda Williams (“Film Bodies: Gender, Genre, and Excess”, 1991) zu einer Reevaluierung der Rolle von Gender, indem sie das emanzipatorische Potential der Überbetonung des Körperlichen sowie der feinen Nuancen abweichender Narrationen aufdeckten. Zuletzt hat Eugenie Brinkema die exaltierte Darstellung von Gewalt als Reaktion auf das bürokratische Kalkül des Neoliberalismus zurückgeführt. Das Pendeln des Horrorfilms zwischen lang tradierten, formelhaft eingesetzten Konventionen und dem Maßlosen, Transgressiven, macht ihn zum perfekten Seismographen gesellschaftspolitischer Prozesse. Anhand von Fallbeispielen werden wir untersuchen, wie sich eben diese in die Filme einschreiben. Der Schwerpunkt liegt auf dem Horrorfilm der letzten 15 Jahre: Von Ti Wests “House of the Devil”, über Julia Ducournaus “Raw” und Jordan Peeles “Us” bis zu Rob Jabazz' “The Sadness” werden wir uns mit der Frage beschäftigen, inwiefern sich Politik und Ästhetik bedingen. Wie werden Identitäten generiert, Klas- senkämpfe ausgefochten und Körperbilder dekonstruiert?


Semester: WiSe 2023/24