„Allgemein lässt sich sagen: Teils vollbringt die Kunst (technê), was die Natur (physis) nicht leisten kann, teils ahmt sie nach [was die Natur leistet]“ (Aristot. Phys. II 8 199a15–17). So bringt Aristoteles in der Physik das spannende Verhältnis zwischen technê und physis auf den Punkt: Einerseits gilt die Natur als Vorbild für die Kunst, sodass menschliches produktives Wissen im Vergleich zu Naturprozessen als zweitrangig betrachtet werden könnte, andererseits ermöglicht die technê dem Menschen, die Grenzen des Natürlichen derart zu überschreiten, dass die technê als mächtiger als die Natur betrachtet werden könnte. Die Spannung dieses Verhältnis wird dadurch noch weiter zugespitzt, dass physis und technê in zahlreichen Texten als Begriffspaar erscheinen. Zuzeiten werden technische Strukturen als Veranschaulichungen natürlicher Prozesse gebraucht (und umgekehrt), dann wiederum wird der Bereich des technischen durch strikte Abgrenzung vom Natürlichen definiert (und umgekehrt) und andere Male werden physis und technê aneinander herangerückt, als ob die eine die bloße Kontinuation der anderen wäre. Ziel des Seminars ist es, ausgehend von dieser Spannung vor allem den technê-Begriff zu erforschen. Neben Auszügen aus der Werke Platons und Aristoteles‘ werden wir uns auch mit stoischen und neuplatonischen Texten beschäftigen, um uns einen Überblick über das produktive Wissen und die Ontologie der resultierenden Artefakte in der griechischen Antike zu verschaffen.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2023/24