"Gefühle haben implizit oder explizit einen wichtigen Platz in soziologischen Theorien gehabt. Aus einer soziologischen Perspektive sind sie nicht bloß innere psychische Vorgänge, sondern sie nehmen erst in sozialen Situationen ihre spezifische Gestalt an. Sie sind Produkte der sozialen Interaktionen, stiften zugleich ihrerseits soziale Beziehungen. Angst vor Jenseitsschicksal kann eine methodisierte Lebensführung zur Folge haben (Max Weber); Scham und Peinlichkeit regulieren Macht und Hierarchie zwischen sozialen Gruppen (Norbert Elias). Rationalisierungsprozesse in der Moderne können Individuen nach und nach auf Affektneutralität (Talcott Parsons) oder Affektkontrolle (nochmals Elias) trainieren. Andere soziologische Studien handeln wiederum von der strategischen Bedeutung der Gefühle (wie die Liebe in Online-Portals, Illouz, oder Freundlichkeit in beruflicher Ausbildung, Hochschild). Hass und Ressentiment gegen Andere funktionieren als Triebkraft autoritärer und neopopulistischer Bewegungen. Neuerdings wird von „Affektbewirtschaftung” (Josef Vogl) in Zeiten der Plattformökonomie gesprochen, die in sozialen Medien über Liken/Disliken betrieben wird. Überhaupt erleben wir eine diskursive Aufwertung der Gefühle. Inzwischen gehört es nämlich zum guten Ton im öffentlichen Auftreten, dass man seine Gefühle zeigt. Gefühle-Zeigen fungiert inzwischen wie ein Gütesiegel für die Authentizität des Subjekts. Die Kommunikation über Gefühle selbst ist mittlerweile ein konstitutiver Bestandteil gegenwärtiger Diskurse geworden. Das Seminar vermittelt soziologische Perspektive auf die Gefühle-Thematik mittels breit rezipierter empirischer Studien. Studierende sind dabei eingeladen, ihrerseits forschend auf den Alltag zu schauen und den Stellenwert/Platz von Gefühlen sowohl allgemein als auch in ihrer konkreten Gestalt sowie den Umgang mit ihnen herauszustellen.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WT 2023/24