Zu Beginn des 12. Jahrhunderts konvertierte der spanische Jude Moses zum Christentum; nach seiner Taufe nahm er den Namen Petrus Alfonsi an. Er versuchte, als Astronom und Gelehrter Karriere an europäischen Höfen zu machen, hatte aber vermutlich nur begrenzten Erfolg. Berühmt ist er für seine Übersetzung von Fabeln und Exempla, die Weisheitstraditionen aus der indisch-persischen Kultur überliefern. In einem autobiographisch grundierten literarischen Dialog zwischen den beiden Personen Petrus und Moyses, die also seinen eigenen Namen vor bzw. nach der Taufe tragen, versuchte er, seine Bekehrung zum Christentum zu rechtfertigen. In seinem Dialog überliefert er erstmals im lateinischen Mittelalter Traditionen aus dem jüdischen Talmud, aber auch aus dem Koran, von dem zuvor noch keine lateinische Übersetzung vorlag. Petrus Alfonsi war also ein cultural broker, der den Menschen des westlichen Mittelalters profane und religiöse Traditionen aus dem arabisch-islamischen Raum überlieferte. Dies sollte jedoch nicht einfach als Kulturtransfer verstanden werden, sondern als Übernahme jüdischer und islamischer Inhalte in christliche Argumentationsmuster, die letztlich dazu dienten, den Wahrheitsanspruch des Christentums zu untermauern.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2023/24