Wirtschaftsethische Debatten erfreuen sich in der Gegenwart einer kaum abreißenden Konjunktur – gleich, ob es um den mit unverantwortlichem Glücksspiel assoziierten Kasino-Kapitalismus‘ globaler Finanzmärkte geht, fragwürdige Profite mit Immobilien-Spekulation in Zeiten von Wohnungsnot und unbezahlbaren Mieten oder Waffengeschäfte westlicher Firmen, die so von autoritären Diktaturen und deren Waffengewalt profitieren; oder aber auch um die Frage ob Moral, Märkte und Kapitalismus überhaupt in Einklang gebracht werden können.

Wie so häufig haben derartige Debatten eine lange Vorgeschichte. Gerade in der Frühen Neuzeit verdichteten sich in besonderem Maße solche Debatten um die Moralität wirtschaftlicher Praktiken, die vor dem Hintergrund zunehmend in Frage gestellter traditioneller ökonomischer Normen geführt wurden. Mit einem seit dem frühen 16. Jahrhundert Formen annehmenden Frühkapitalismus, etwa durch die Aktivitäten des Handelshauses Fugger und dem enormen Finanzbedarf der wachsenden frühneuzeitlichen Staaten ergaben sich Transformationsprozesse, die an ständischer Ordnung oder traditionellen Formen des Gemeinen Nutzens orientierte Vorstellungen von Gerechtigkeit und Besitzlegitimierung in Frage stellen konnten. Solche Debatten flossen auch in den religiösen Diskurs der frühen Reformation mit ein.

Im Seminar wollen wir Normen und Praktiken einer solchen an Wertvorstellungen der Zeit gebundenen „Moralischen Ökonomie” und ihren Herausforderungen anhand einiger exemplarischer Debatten und Auseinandersetzungen nachgehen. Wie war bspw. mit kaufmännischer Profitorientierung oder der faktischen Bildung von Handels-Monopolen umzugehen? Durfte sich der Adel als gesellschaftliche Führungsschicht an Handelsgeschäften beteiligen? War es verantwortbar, mit Getreide Fernhandel zu treiben oder verbot dies die Nahrungsmittelsicherheit lokaler Bevölkerungen? Wie wirkte es sich auf frühneuzeitliche Gesellschaften aus, wenn etwa während des Börsenbooms des Jahres 1720, plötzlich scheinbar Angehörige aller Schichten mit Wertpapiergeschäften mühelos reich werden konnte; bis schließlich die Spekulationsblase platzte und die Reichtümer vernichtete?

Das Seminar soll nicht nur Einblicke in den Wertehaushalt der frühneuzeitlichen Gesellschaft und die Folgen wirtschaftlicher Transformationsprozesse geben, sondern auch historische Wurzeln der ein oder anderen gegenwärtiger Debatte freilegen.

Voraussetzung für den Erwerb eines Leistungsnachweises sind regelmäßige Teilnahme, die Lektüre von über Learnweb zur Verfügung gestellten Texten, die Erarbeitung eines Referates sowie die Anfertigung einer schriftlichen Hausarbeit.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2023