Zusammenfassung

In vordemokratischen Gesellschaften soll Demokratisierung dazu beitragen, die willkürlichen Handlungen der Herrschenden einzuschränken und den von der Herrschaft Betroffenen ein freies Leben zu ermöglichen. Praktisch bedeutet Demokratie dann die Beteiligung der Beherrschten an der Herrschaft. Bürgerinnen wählen Repräsentanten, werden selbst Repräsentanten oder können die politische Organisation des Gemeinwesens als zivilgesellschaftliche Akteurinnen mitbestimmen. In der Regel beschränkt sich die Demokratie allerdings auf den Staat bzw. die öffentlichen politischen Beziehungen und Einrichtungen. Wirtschaft und Markt sind weitgehend ausgenommen von der Demokratie und die Politik soll einzig den Rahmen stecken, um Produktion und Warenaustausch organisieren zu können.

 

Nichtsdestotrotz werden Fragen einer demokratischen Organisation der Wirtschaft in der modernen politischen Theorie spätestens seit dem achtzehnten Jahrhundert auch immer mit verhandelt. Rousseau beispielsweise analysiert in seinem „Diskurs von der Ungleichheit“ (1755) das Verhältnis von sozialer und politischer Gleichheit. Und Karl Marx hat bekanntermaßen die autoritäre Natur des Kapitalismus zum Ausgangspunkt seiner Gesellschaftskritik gemacht und mit der Utopie des Sozialismus eine Lebensform entworfen, in der alle gesellschaftlichen Bereiche demokratisch organisiert werden. Aus der Perspektive dieser Autoren ist eine demokratische Organisation der Wirtschaft wünschenswert. Wie Wirtschaftsdemokratie funktionieren soll, wird allerdings weder bei Rousseau noch bei Marx erklärt.

 

Vor diesem Hintergrund versucht das Seminar eine politiktheoretische Annäherung an den Begriff der Wirtschaftsdemokratie. Wir wollen uns den Begriff aus der Perspektive verschiedener Autorinnen erschließen und grundlegende Texte zum Thema Wirtschaftsdemokratie lesen. Auf dieser Grundlage kann dann diskutiert werden, was genau eine demokratische wirtschaftliche Praxis ausmacht, wie eine solche Praxis institutionalisiert werden könnte und wo die Politik anzusetzen hätte, um eine demokratische Organisation der Wirtschaft ermöglichen zu können.

 

 

Studienleistung: Review Essay

Prüfungsleistung: Hausarbeit

 

 

Ausgewählte Literatur

Sidney and Beatrice Webb. 1897 (1902). Industrial Democracy. London: Longmans, Green and Co.

Emile Durkheim. 1999. Physik der Sitten und des Rechts. Frankfurt/Main: Suhrkamp.

Fritz Naftali. 1928. Wirtschaftsdemokratie: Ihr Wesen, Weg und Ziel. Berlin: Verlagsgesellschaft des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Robert A. Dahl. 1986. A Preface to Economic Democracy. Berkeley: University of California Press.

Elizabeth Anderson. 2017. Private Government: How Employers Rule Our Lives (and Why We Don't Talk about It). Princeton: Princeton University Press.

James Muldoon. 2022. Platform Socialism. How to Reclaim our Digital Future from Big Tech. London. Pluto Press.

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Semester: SoSe 2023