Geschichtsschreiber im Mittelalter verstanden sich als Geschichtenerzähler, ihre Werke hatten literarischen Anspruch und sie wollten damit Wirkung erzielen. Geschichtsschreibung bezeugt weder abbildhaft eine „historische Wahrheit“, noch ist sie Ausdruck beliebiger Erfindung oder gar vorsätzlicher Falschdarstellung. Mittelalterliche Historiographie hat mit Fake News nichts zu tun. Sie will eine tatsächlich abgelaufene Ereignisfolge so erzählen, dass der Bericht darüber Unterhaltungswert hat, auf Interesse stößt und Werte vermittelt, die in der Gesellschaft als handlungsleitend galten. Das Berichtete zu deuten, wird nicht den Lesenden oder Zuhörenden überlassen, sondern als eindeutige Botschaft mitgegeben. Deshalb musste der Geschichtsschreiber sorgfältig auswählen, was er aus der Fülle des Geschehenen berichten und wie er es deuten wollte.

Darunter änderte sich das Konzept der Historiographie im Laufe des Mittelalters vielfach: Zuerst in lateinischer Sprache verfasst, wurde sie später auch in den Volkssprachen geschrieben, zunächst auf Herrscher und Reiche bezogen, öffnete sie sich für das Geschehen in Regionen und Städten. Zunächst waren Mönche und Kleriker die Geschichtsschreiber, dann Bürger. Zu allen Zeiten gab es auch Frauen als Autorinnen.

Die Vorlesung stellt die Entwicklung der Geschichtsschreibung im gesamten Mittelalter dar und fragt nach deren Bedeutung als Ausdruck der zeitgenössischen Weltwahrnehmung.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2023