Dass Klöster und Orden im europäischen Mittelalter auch Stätten der Buchproduktion waren, ist bekannt. Eine besondere Konstellation kennzeichnet aber den spätmittelalterlichen Kartäuserorden: Die Kartäuser erlebten im ‚langen fünfzehnten Jahrhundert‘ (c. 1350-1520) eine Phase verstärkter Beliebtheit und Produktivität, da nunmehr viele Kartausen in der Nähe von Städten gegründet wurden und neue Förderungsbeziehungen zu Adeligen und städtischen Oberschichten entstanden. Zudem erachteten die Kartäuser die religiöse Lektüre und die Produktion geistlicher Schriften als heilsbringend. Daher entstanden Netzwerke der Textproduktion und -zirkulation, die über die Klostermauern hinweg lesende und schreibende Klosterinsassen und Stadtbewohner verbanden. Unter anderem aus den Kartausen Köln und Basel besitzen wir noch reiche Handschriftenbestände und frühe Drucke, die viele Aussagen über die Wissensgeschichte und die Lektürepraktiken in den Kartausen und den sie umgebenden Städten erlauben.

Das Masterseminar wird einen Einstieg in die Geschichte der Kartäuser und der spätmittelalterlichen Kultur des religiösen Lesens bieten, will die Teilnehmer*innen aber vor allem in die Lage versetzen, sich den überlieferten Handschriften und Drucken selbständig zu nähern. Dazu werden Grundkenntnisse der Handschriftenkunde und in der Praxis der Transkribierens und der (digitalen) Edition vermittelt und in praktischen Übungen gemeinsam entwickelt. Es sind Besichtigungen in der Handschriftenabteilung der ULB Münster und ein Besuch in Köln geplant. An digitalisierten (frühneuhochdeutschen oder lateinischen) Texten sollen die Teilnehmer*innen dann Quellen beschreiben, transkribieren, übersetzen und interpretieren. Die Ergebnisse sollen (in Fortsetzung früherer Seminare) möglichst auf dem Forschungsblog kartaeuser.hypotheses.org dokumentiert werden.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2023