Die Arbeitslosenzahlen so niedrig, wie noch nie im vereinigten Deutschland, vor der Coronakrise produzierte der Bundeshaushalt Überschüsse und die Wirtschaft entwickelte sich schneller als in vielen anderen EU-Ländern. Dennoch rissen bereits vor der Coronakrise Debatten über wachsende soziale Ungleichheiten nicht ab. Was ist dran an den populären Diagnosen vom „Verteilungskampf“ (so der Leiter des DIW Fratz-scher) oder der „Abstiegsgesellschaft“ (so der Titel eines aktuelle Buches von Oliver Nachtwey)? Und wie passen sie zu Deutschlands offensichtlichem Wohlstand? Im ersten Teil des Seminars setzen wir uns mit theoretischen Grundlagen der soziologischen Ungleichheitsanalyse auseinander und versuchen die polit-ökonomischen Besonderheiten des „Modell Deutschland“ zu verstehen. Im zweiten Teil diskutieren wir daran anknüpfend die langfristigen Veränderungen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen individueller Statuschancen. Danach stehen die empirischen Ergebnisse der soziologischen Ungleichheitsforschung im Vordergrund: Nimmt die Ungleichheit in Deutschland zu und wie sieht das genau aus? Wie viel soziale Mobilität lässt sich in Deutschland beobachten? Welche Auswirkungen haben Corona- und Energiekrise auf die deutsche Sozialstruktur? Unterwegs lernen wir, verschiedene Arten von Sozialwissenschaft kritisch zu lesen.
- Lehrende/r: Jonas Wiedner