Im wissenschaftlichen wie im philosophischen Argumentieren bedienen wir uns neben sprachlich diskursiver Ausdrucksformen auch (im weitesten Sinne) bildhafter Repräsentationen. So etwa bei Gedankenexperimenten oder Beispielen, die man sich ad hoc ausmalt, um Thesen oder Theorien zu beweisen oder zu widerlegen. Scheinbar ermöglichen bildhafte Formen des Argumentierens, anders als sprachlich ausformulierte Argumente, eine anschauliche Erfassung von Sachverhalten und Wahrheiten. Dies ist aber insofern problematisch, als Bilder bzw. bildhafte Vorstellungen, anders als Aussagesätze, nicht Träger von Wahrheitswerten sind und zudem oft als trügerisch und deshalb vielfach als Irrtumsgründe gelten. Andererseits werden jedoch gerade auch Fiktionen nicht selten erfolgreich in valide Argumentationen einbezogen. Aus diesen und anderen Gründen bestehen seit jeher höchst ambivalente Bewertungen der Imagination und ihres Verhältnisses zur Vernunft.

Ziel des Seminars ist es, dieses Verhältnis in historischer und systematischer Perspektive in den Blick zu nehmen. Ausgehend von einem kursorischen Überblick über die Bestimmungen des Verhältnisses von Imagination und Vernunft in der älteren Tradition der Erkenntnistheorie wird ein erster Schwerpunkt auf der Lektüre und Interpretation einschlägiger Passagen im Werk von G. W. Leibniz liegen. In einem zweiten Schritt wollen wir deren Beziehungen zu entsprechenden Konzeptionen bei Hume, Du Châtelet und Kant herausarbeiten. Abschließend sollen die untersuchten historischen Theorien mit einschlägigen gegenwärtigen systematischen Konzeptionen der kognitiven Funktion und Bedeutung der Imagination konfrontiert werden.

Lateinische und französische Texte werden auch in deutscher oder englischer Übersetzung zur Verfügung stehen.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2023