Franz Kafka ist zu einem Autor der Weltliteratur avanciert, dessen Werke aufgrund ihrer Komplexität vielfältige Deutungsoptionen anbieten. Als ein Interpretationsschlüssel ist vielfach Kafkas Beziehung zum Judentum in Anschlag gebracht worden. Hier will das Seminar einen differenzierten Blick eröffnen: In der plurikulturellen Situation des Prager Entstehungskontextes von Kafkas Werk kann nicht von dem Judentum gesprochen werden, sondern von verschiedenen Facetten, die sich zwischen ostjüdischem Chassidismus über orthodoxe Richtungen, ersten Ansätzen einer religiösen Liberalisierung, (Kultur-)Zionismus bis hin zu Assimilation spannten. Kafka kam mit all diesen Ausprägungen modernen jüdischen Lebens in Kontakt und suchte nach durchaus auch wechselnden Positionierungen.

Im Seminar sollen vor dem Hintergrund des kulturhistorischen Kontextes der multiethischen und multireligiösen Prager Situation Spuren der Auseinandersetzung mit jüdischer Kultur, Religion, Geschichte und jüdischem Denken in Kafkas Werk behandelt werden. Zu finden sind sie sowohl in seinen literarischen Werken als auch in seinen Tagebucheinträgen, markant etwa in seinen Überlegungen zum jiddischen Theater.

Empfohlene Literatur:

Zum einführenden Überblick:

Kilcher, Andreas: „8.2 Zur Geschichte der Böhmischen Länder. Spezifika der jüdischen Kulturgeschichte”. In: Peter Becher / Steffen Höhne / Jörg Krappmann / Manfred Weinberg (Hgg.), Handbuch der deutschen Literatur Prags und der Böhmischen Länder, Stuttgart 2017, S. 66-73.

 

Weiterführende Literatur:

Capková, Katerina: Czechs, Germans, Jews? National Identity and the Jews of Bohemia. New York / Oxford 2012 [original tsch. 2005].

Massino, Guido, Kafka, Löwy und das jiddische Theater, Frankfurt a.M. 2007.

Miron, Dan, The Animal in the Synagogue. Franz Kafka’s Jewishness, 2021.

Shumsky, Dimitry: Zweisprachigkeit und binationale Idee. Der Prager Zionismus 1900–1930. Göttingen 2013.

Spector, Scott: Prague Territories National Conflict and Cultural Innovation in Franz Kafka's Fin de Siècle. Berkeley 2000.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2023