Die vollständige Sequenzierung des menschlichen Genoms vor rund zwei Jahrzehnten, und die Möglichkeit, DNA aus Funden zu untersuchen, die älter als 100 Jahre sind (ancient DNA / aDNA), machte genetische Daten für die Erforschung der menschlichen Geschichte in neuer Weise verfügbar. Diese Entwicklung war keine Angelegenheit unter hochspezialisierten Fachleuten der Genetik, Archäologie und Geschichtswissenschaft, sondern sie wurde von Beginn an durch intensive Berichterstattung in den Medien begleitet und dynamisiert. Dem Versprechen auf völlig neue, nun naturwissenschaftliche Einsichten in die Geschichte der Menschheit gegenüber stand die Kritik an einem damit wiederaufkommenden biologistisch-deterministischen Menschenbild bis hin zu altbekannten Kategorien wie ‚Rasse‘. Mittlerweile liegt eine Fülle an vertieften und interdisziplinären Fallstudien und Debatten zu Verknüpfungen von Genetik und Geschichte vor. Die Lehrveranstaltung verbindet historische und kulturanthropologische Expertise zu diesem Feld. Wir erarbeiten einen Überblick zum Stand der Diskussion, zu erkenntnistheoretischen Fragen und analytischen Konzepten und erörtern empirische Fallstudien, die genetische Daten für die Erforschung von Geschichte und für Aussagen zur Geschichtlichkeit der Gegenwart verwendet sowie problematisiert haben. Berücksichtigt wird auch die wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Verknüpfungen von Geschichte und Genetik (Vererbungslehre). Damit will die Lehrveranstaltung das Wissen und die Urteilskraft der Studierenden im gesellschaftlich-öffentlich besonders stark wahrgenommenen Bereich der „genetic history“ bzw. „Archäogenetik“ fundieren und entwickeln.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2023