In Zeiten rapiden Klimawandels, der auch in unseren Breitengraden auf beängstigende Weise spürbar wird, ist auch in den Geisteswissenschaften zur Vormoderne das Verhältnis zwischen Mensch und Natur längst zu einem wichtigen Thema geworden. Hoch im Kurs stehen vor allem Studien zu Extremwetterereignissen, Naturkatastrophen oder Epidemien vergangener Jahrhunderte, deren verheerende Auswirkungen schon von den Zeitgenoss*innen wahrgenommen und dokumentiert wurden. In enger Kooperation mit den Naturwissenschaften bieten diese Forschungen einerseits wertvolles Material zum Aufbau umfangreicher Datenbanken zur Klima- und Klimafolgenforschung; andererseits hat sich als nicht weniger fruchtbar herausgestellt, sie als Auslöser oder Katalysator gesellschaftlicher Umbrüche aufzufassen und zu analysieren. Daneben rücken aber auch die alltäglichen Eingriffe der Menschen in ihre Umwelt systematischer in den Blick (oft unter dem Stichwort der aus der historischen Geographie kommenden genetischen Kulturlandschaftsforschung), die unsere Umwelt bis heute oft stärker prägen als gemeinhin angenommen. Umgekehrt werden Schlüsselfragen der Gegenwart auch an vergangene Zeiten herangetragen, wie beispielsweise die 2021 mit dem NDR Sachbuchpreis ausgezeichnete Arbeit von Annette Kehnel über Nachhaltigkeitskonzepte des Mittelalters zeigt.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht die Lektüre und Diskussion einschlägiger Arbeiten zur Umweltgeschichte mit dem Ziel, uns einen Überblick über die virulenten Themen und methodischen Zugänge dieses noch vergleichsweise neuen Zweigs der Geschichts- und Kulturwissenschaften zu verschaffen. Ziel ist aber auch die gemeinsame Quellenarbeit zu ausgewählten Fallstudien: Welche mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Zeugnisse gibt es, die uns Antwort auf unsere umwelthistorischen Fragen geben? Welche Chancen, welche Probleme ergeben sich aus der Kooperation mit anderen Disziplinen wie Geowissenschaften, Archäologie oder Klimatologie?

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2023