Die europäische Literatur des 16. und gesamten 17. Jh. ist voll von Werken, die Königreiche, Fürstentümer und Republiken beschreiben. Autoren von Italien bis Dänemark, von Spanien bis Polen, von England bis Böhmen schilderten zeitgenössische Herrschaftsgebiete ausführlich oder knapp, zuweilen auf Lateinisch, zuweilen in ihrer jeweiligen Landessprache. Diese Werke waren auf Anhieb „Verkaufsschlager“ und erfuhren große Verbreitung. Solche Staatsbeschreibungen decken ein thematisch ausgesprochen weites Feld ab: Sie behandeln Geographie und Topographie, Städte, Wetter und Klima, Wirtschaft und Handel, Charakteristik der Einwohner, Geschichte der Herrscher, Geld- und Münzwesen, Religion, Militärwesen, natürliche Ressourcen sowie das jeweilige politische, administrative und justizielle System. Aufgrund ihrer breit gestreuten Themen und Informationen war die Staatenkunde einerseits gleichsam eine Basisdisziplin in der Frühen Neuzeit, stand aber andererseits vor einer grundlegenden Herausforderung: Die vielfältigen politischen, militärischen und religiösen Veränderungsprozesse des 16. und 17. Jh. erzeugten eine Lebenswelt, die grundlegenden Wandlungsprozessen unterliegt; wie ließ sich in entsprechenden Texten eine Staatengemeinschaft beschreiben, die selbst einschneidenden Änderungen und Umwälzungen unterworfen ist? Welches konkrete Interesse bestand an dieser Form beschreibender Texte?

Die Vorlesung liefert einen Überblick über frühneuzeitliche Staats- und Landesbeschreibungen, ihre Themen, literarischen Traditionen und Strategien, eine schier unendliche Masse an Einzelinformationen sinnvoll zu organisieren. Anhand exemplarischer Werke sollen konkrete Gegenstände der Staatenkunde genauso wie ihre wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung und ihre Bezüge zur politischen Situation in den Blick genommen werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Zeitraum vom späten 16. bis zum späten 17. Jh. Vor allem von den in den Niederlanden im frühen 17. Jh. gedruckten „Republiken“, einer umfassenden Reihe von Staatsbeschreibungen, die schnell in ganz Europa verbreitet war, gingen wichtige Impulse aus, die in der Veranstaltung vorgestellt werden.

Die Vorlesung soll zugleich Gelegenheit bieten, ausgehend von einzelnen Beispielen auf größere Zusammenhänge der frühneuzeitlichen Kulturgeschichte zu verweisen. Schwerpunkte werden z.B. auf Aspekten der Buch-, Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte liegen.

 

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2023