Während sich das „deutsche Turnen“ als ein Netzwerk von Körperbildungsübungen im Verlauf des 19. Jahrhunderts in einem noch überwiegend ländlich strukturierten Deutschland verbreitete, wurden Sportarten wie Fußball, Leichtathletik, Rudern, Tennis, Hockey oder Golf zu in zeitlicher Analogie mit der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzenden Hochurbanisierung und -industrialisierung Verbreitung findenden Phänomenen. Die im Rahmen der Urbanisierung als neuer Stadttypus entstehende „Großstadt“ als ein Kulminationspunkt der Modernisierung bot die nötigen technologischen, ökonomischen, infrastrukturellen, sozialen, rechtlichen und mentalen Voraussetzungen für das Aufkommen des modernen Sports. Zu diesen Voraussetzungen zählen die industriell-städtische Arbeitsweise mit ihrer zunehmenden Differenzierung zwischen „Arbeit“ und „Freizeit“, die Entstehung von Verkehrs- und Kommunikationsnetzen, die Bildung von städtischen Sozialorganisationen wie den freien Assoziationen (Vereine und Verbände), die Herausbildung einer „urbanen“ Lebensform, die Entstehung der sozialen Daseinsvorsorge. In negativer Hinsicht werden hierzu auch die Anonymität der Großstadt, die vor allem in den Ballungszentren oftmals unzureichenden Lebens- und Wohnverhältnisse und die soziale Isolation gerechnet, die die Entstehung von Turn- und Sportangeboten als Ausgleich und Alternative förderte. Sport lässt sich in diesem Sinne als eine „urbane Verhaltensform“, als ein Wesensmerkmal des entstehenden urbanen Lebensstils charakterisieren.
Ziel des Seminars ist, den Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Stadt zum modernen Dienstleistungszentrum und dem Aufkommen dessen, was als „moderner Sport“ bezeichnet wird, aufzuzeigen. Es soll gezeigt werden, welche Voraussetzungen dafür wichtig waren, dass der aus England kommende Sport zunehmend das deutsche Turnen und damit die Leibesübungen insgesamt überformte.
- Lehrende/r: Michael Krüger
- Lehrende/r: Stefan Nielsen