Welche Rolle Werte in der Wissenschaft spielen, wird in der Wissenschaftsphilosophie seit mehr als 100 Jahren in unterschiedlichen Kontexten diskutiert. Das von Max Weber formulierte „Postulat der Wertfreiheit der Wissenschaft“ ist Ausgangspunkt für den sog. „Werturteilsstreit“, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts entfachte und in drei verschiedene Phasen aufgeteilt werden kann. Am Anfang steht der erste Werturteilsstreit (1913-17), der von Weber selbst angeführt wurde und die Verteidigung der These der Werturteilsfreiheit gegen seinen Widersacher und von ihm abwertend als „Kathedersoziologen“ bezeichneten Sozialökonomen Gustav Schmoller zum Gegenstand hatte. Ein zweiter Werturteilsstreit fand in den 1960er und 1970er Jahren im Zusammenhang mit dem sog. „Positivismusstreit“ statt und wurde hauptsächlich von den prominenten Vertretern der kritischen Theorie (Jürgen Habermas, Theodor W. Adorno) und des kritischen Rationalismus (Karl R. Popper, Hans Albert) ausgetragen. Als dritte Phase des Werturteilsstreit lässt sich schließlich die in jüngerer Zeit auflebende Debatte um die Rolle von Werten in den Wissenschaften bezeichnen, in der neuartige Perspektiven auf die Frage nach der Wertfreiheit versus der Wertgebundenheit der Wissenschaften entwickelt werden.

Im Seminar werden anhand ausgewählter Texte die zentralen Argumente innerhalb der drei Debattenstränge rekonstruiert und kritisch diskutiert. Ein Seminarplan mit Angaben zur Seminarliteratur und zu den Anforderungen für Studien- und Prüfungsleistungen wird in der ersten Sitzung bekannt gegeben.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2023