Thomas Hobbes, John Locke, Jean-Jacques Rousseau – Das sind die wesentlichen Autoren der politischen Philosophie und politischen Anthropologie der Moderne. David Hume tritt als synkretistischer und systematischer Autor hinzu. Die Menschenbilder dieser Autoren werden jedoch zu ernst genommen und sind zu wenig in ihrem Ursprung verstanden. Wir werden uns daher mit der Entwicklung einer neuen Anthropologie beschäftigen, die ebenso alt ist, wie die genannten Referenzautoren. Die Denkfigur des „edlen Wilden“ bei Rousseau ist eine innovative Antwort auf die vernichtende Kritik an der europäischen Lebensweise durch indigene Bevölkerungen. Ziel des Seminars ist es, den Menschen aus dieser Perspektive als politisches Lebewesen zu begreifen. Das mag trivial wirken, aber der „edle Wilde“ ist notorisch unpolitisch. Indigene Kritiker waren vielleicht „edel“, aber sie waren nicht in dem Sinne „Wilde“, dass sie unpolitisch wären. (Der Mensch ist ein zoon politikon.) Die indigene Kritik verstörte europäische Intellektuelle. Und erst durch Rousseaus ebenso geniale wie verheerende Idee wurde Europa mit dieser Depression versöhnt. Denn die Kritik brachte ein indigenes Freiheitsverständnis ins Spiel des Denkens, das uns anarchistisch erscheint. Doch indigene Kulturen kennen selbstverständlich Sklaverei und sie bilden auch staatliche Herrschaftsstrukturen aus. Bisweilen kennen sie aber vor allem einen politischen Egalitarismus, der europäische Kulturen weltweit noch heute schockiert. Ihr libertärer Schein-Anarchismus wird uns auf eine systematischere Analyse (also: a-historische, a-kulturelle) des Herrschaftskonzeptes führen, als es im Rahmen der alten Anthropologie des Politischen möglich war. |
- Lehrende/r: Andreas Vieth