Der Name des Hundertjährigen Krieges ist trügerisch. Dies liegt nicht nur daran, dass die damit bezeichneten kriegerischen Vorgänge allgemein im Zeitraum zwischen 1337 und 1453 verortet werden, der, wenn man genau nachrechnet, mehr als 100 Jahre beträgt. Es liegt auch daran, dass es sich bei den gemeinten kriegerischen Auseinandersetzungen keineswegs um einen einheitlichen Konflikt über einen zentralen Streitpunkt handelt, der innerhalb dieses Zeitraums kontinuierlich geführt worden wäre, sondern vielmehr um eine Gemengelage aus verschiedenen Konfliktfällen mit unterschiedlichen Phasen, deren Anfang und Ende teils schwierig zu bestimmen sind. Gerade deshalb eignet sich jedoch das Thema des Hundertjährigen Krieges besonders gut, um im Seminar gemeinsam über die Grundlagen und Probleme historischer Begriffsbildung nachzudenken. Darüber hinaus wird es im Proseminar darum gehen, die historischen Zusammenhänge und Anlässe der Konflikte zwischen Frankreich und England sowie zwischen den Parteien der Armagnacs und Bourguignons innerhalb Frankreichs herauszuarbeiten. Die Wahrnehmung und Darstellung der Auseinandersetzungen des 14. und 15. Jahrhunderts sollen anhand ausgewählter zeitgenössischer Zeugnisse in den Blick genommen werden, wobei es darum gehen wird, die verschiedenen Perspektiven und Wahrheitsansprüche der jeweiligen Konfliktparteien herauszugearbeitet. Neben historiographischen Quellen sollen dazu auch Bildzeugnisse betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund wird es dann darum gehen, den Begriff des „Hundertjährigen Krieges“ kritisch zu beleuchten und nachzuvollziehen, wie solche Bezeichnungen historisch zustande kommen und das Geschichtsbild nachhaltig prägen können. Schließlich bietet das Seminar eine generelle Einführung in die Themen, Fragestellungen und Methoden der mittelalterlichen Geschichte.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2022/23