Vom 31. August bis 8. September 2022 findet in Karlsruhe die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) statt. Eine solche Vollversammlung wird nur alle sieben bis neun Jahre einberufen und nach der Gründungsvollversammlung 1948 in Amsterdam und der 4. Vollversammlung 1968 in Uppsala ist es erst das dritte Mal, dass sie in Europa und das erste Mal, dass sie in Deutschland stattfindet. Der ÖRK gilt gemeinhin als das zentrale Organ der Ökumenischen Bewegung, deren zentrale Anliegen die Einheit der Christen und die Wiederherstellung der sichtbaren Einheit der Kirche sind. Er setzt sich zusammen aus 352 Mitgliedskirchen, worunter „die meisten orthodoxen Kirchen der Welt, zahlreiche anglikanische, baptistische, lutherische, methodistische und reformierte sowie viele charismatische, unabhängige, vereinigte und sich vereinigende Kirchen weltweit” sind. Was auffällt, ist, dass die katholische Kirche als mit Abstand mitgliederstärkste Konfession nicht Mitglied des ÖRK ist. Dies hat verschiedene Gründe, wobei ein Grund in der zumindest zu Beginn schwierigen Geschichte der katholischen Kirche mit der ökumenischen Idee und mit der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstandenen Ökumenischen Bewegung zu finden ist.

Lange Zeit hat die katholische Kirche gegenüber der ökumenischen Idee und der Ökumenischen Bewegung eine ablehnende oder sogar verurteilende Haltung eingenommen. Ökumene wurde katholischerseits nur als „Rückkehr-Ökumene” im Sinne eines Zurückkehrens in den Schoß der römisch-katholischen Kirche verstanden. Erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) und dem Ökumenismusdekret Unitatis redintegratio (1964) sollte sich dies grundlegend ändern: Damals öffnete sich die katholische Kirche offiziell für die Ökumenische Bewegung und begann sich auf vielfältige Weise einzubringen. Zu diesem Zeitpunkt lag die Gründung des ÖRK bereits über eineinhalb Jahrzehnte zurück. 

Vor dem Hintergrund dieser wechselvollen Geschichte wollen wir uns im Rahmen dieses Seminars mit der Frage beschäftigen, in welchem Verhältnis die katholische Kirche zur ökumenische Idee, zur Ökumenischen Bewegung und auch zum Ökumenischen Rat der Kirchen steht. Dabei wird in ökumenischer Perspektive das Selbstverständnis der katholischen Kirche im Mittelpunkt stehen: Was ist die katholische Kirche überhaupt? Wie lautet ihr Selbstverständnis? In welchem Verhältnis steht sie zu anderen Kirchen und Konfessionen und wie wird sie von diesen gesehen? Neben diesem konfessionskundlichen Zugang werden wir uns aus katholischer Perspektive mit der Geschichte der Ökumenischen Bewegung beschäftigen und der Fragen nachgehen, warum die katholische Kirche nicht Mitglied des Ökumenischen Rats der Kirchen ist. Auch werden wir uns den Fragestellungen und Problemen zuwenden, die aus katholischer Perspektive im theologischen Dialog mit anderen Kirchen und Konfessionen von besonderer Relevanz sind, wozu u. a. die Rolle des Papsts, das Amts- und Eucharistieverständnis und das Verhältnis von Schrift, Tradition und Lehramt zu zählen sind.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2022/23