In diesem Seminar streben wir eine gründliche, idealerweise vollständige Lektüre der Monographie „Thought and Reality“ an. Das Buch basiert auf den „Gifford Lectures“, die sein Autor, Sir Michael Dummett, im Jahre 1996 an der University of St. Andrews halten durfte, und erschien dann schließlich 2006, rund zehn Jahre später, bei Oxford University Press.

Sir Michael Dummett (1925–2011) gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten analytischen Philosophen Großbritanniens des zwanzigsten und frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts. Er hat bahnbrechende und wegweisende Beiträge zu einer ganzen Reihe an philosophischen Themen geleistet (auch zu außerphilosophischen Themen wie den britischen Migrations-, Flüchtlings- und Wahlgesetzen sowie der Geschichte des Tarotkartenspiels) – insbesondere in den Bereichen Sprachphilosophie, Wahrheitstheorie, der philosophischen Semantik, der formalen Logik, der Philosophie der Mathematik und Beweistheorie sowie, philosophiehistorisch gesehen, zur Erforschung der Philosophie Gottlob Freges (1848–1925).

Die genannte Monographie bietet einen guten Einblick in Dummetts originelle Behandlung zahlreicher klassischer philosophischer Themen und damit nicht nur in die Philosophie Michael Dummetts, sondern auch in die Debatten der analytischen Philosophie des zwanzigsten Jahrhunderts. Im Zentrum von Dummetts philosophischen Bemühungen steht die Überzeugung, dass es keine wissenstranszendenten Wahrheiten gibt – eine philosophische Position, die häufig als „Anti-Realismus“ bezeichnet wird. Welche Argumente und Kritiken Dummett einerseits zur Skizzierung einer solchen Position bewogen haben, welche Konsequenzen die Einnahme einer solchen Position andererseits philosophisch mit sich bringt, dem wollen wir im Seminar nachgehen. Wir werden dabei Fragen danach begegnen, wie sich Tatsachen und Propositionen zueinander verhalten, dem Verhältnis von (phil.) Semantik und Metaphysik nachgehen und das Verhältnis zwischen Wahrheit und Bedeutung zum Gegenstand machen. Philosophische Überlegungen zur Leistungsstärke wahrheitskonditionaler Semantiken und Rechtfertigungsleistungen ermöglichender Bedeutungstheorien werden uns ebenso begegnen wie Grundfragen der Philosophie der Zeit, der Verfasstheit der Realität an sich sowie die philosophisch-präsuppositionale Basis des Verhältnisses eines Gottesstandpunkts zur Welt. Trotz der ehrfurchtgebietenden Bereiche, die es zu durchschreiten gilt, ist das Seminar ohne Vorkenntnisse in Sprachphilosophie und Logik besuchbar.

Den semantischen Anti-Realismus kennenzulernen empfiehlt sich philosophisch gerade deshalb, weil er eine interessante neue Perspektive auf zahlreiche im philosophischen Mainstream geteilte Überzeugungen bietet, die sonst selten mit philosophischer Aufmerksamkeit bedacht werden.

Das Seminar wird auf Deutsch stattfinden, die Textgrundlage ist in englischer Sprache zu lesen.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2022/23