Traditionell sind die Themen Teilhabe (bzw. Partizipation) und Inklusion (bzw. Einschließung) eng mit dem Thema Behinderung verknüpft. So formuliert etwa der Artikel 3 („General principles“) der sog. UN-Behindertenrechtskonvention (Convention on the Rights of Persons with Disabilities, 2006) als eine der zentralen Grundnormen für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung: „Full and effective participation and inclusion in society“. Aber fasst man Teilhabe und Inklusion nicht viel zu eng, wenn man sie nur oder primär für Menschen mit Behinderung fordert? Es ist das Verdienst der US-amerikanischen Philosophin Iris Marion Young (1949–2006), in ihrer Monographie Inclusion and Democracy (2000) überzeugend gezeigt zu haben, dass man Teilhabe und Inklusion als Grundwerte auffassen kann, die das Zusammenleben in einer pluralen und offenen Demokratie leiten sollten. Young hat damit eine umfangreiche Debatte ausgelöst, die heute im Hinblick auf verschiedenste Bereiche der Gesellschaft geführt wird. Fragen nach der Struktur einer inklusiven Arbeitswelt (Misselhorn/Behrendt 2017) spielen dabei ebenso eine Rolle wie das Verhältnis von Demokratie und Liberalismus (Mouffe 2018) und sozialer Gerechtigkeit (Lessenich 2019).
Das Seminar wird mit ausgewählten Positionen und zentralen Problemkreisen dieser umfangreichen Debatte vertraut machen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem Bereich schulischer Aus- und Weiterbildung. Gerade in diesem Bereich ist die genaue Ausgestaltung gelungener Inklusion im weiten, demokratietheoretischen Sinn besonders umstritten und viele Expert:innen ziehen im Hinblick auf den Erfolg bisheriger Inklusionsbemühungen eine negative Bilanz. Wir werden der Frage nachgehen, worin das Ziel umfassender Inklusion in der Schule bestehen sollte – und woran Inklusion in der Schule scheitern kann.
Voraussetzung für die Teilnahme ist die Bereitschaft zur Lektüre anspruchsvoller philosophischer Texte und die Bereitschaft zur regelmäßigen und engagierten Teilnahme an den Diskussionen im Seminar.
- Lehrende/r: Martin Hoffmann