Das Format der Veranstaltung »Rechtshistorische Quellen« ähnelt der Veranstaltung »Rechtshistorische Methodenübung«, ist aber praktischer ausgerichtet. Es wird nicht um die theoretische Reflexion der Genese historischer Erkenntnis gehen, sondern darum, Texte als Texte zu lesen, mithin als schriftliche Äußerungen zu verstehen, die den Gesetzen einer bestimmten Sprache und Gattung gehorchen. Anders als in der Methodenübung stellen wir uns nicht die Frage, wie man auf Basis der »Informationen« einer »Quelle« Wissen über Vergangenes rekonstruiert. Stattdessen sollen die Texte als Kontexte solcher »Informationen« betrachtet werden. Ziel dieser Herangehensweise ist es, kontextsensibles Denken und Sprechen über (je nach Erkenntnisinteresse variierende) Elemente eines lateinischen Texts zu ermöglichen. Im Zentrum der Übung steht ein Abschnitt aus dem Werk De iustitia et iure des Jesuiten Leonardus Lessius (1554–1623). Dieses Werk entstammt einem Diskurs, in dem philosophische, theologische und juristische Argumentationen miteinander verwoben sind. Es ist daher ein geeigneter Ausgangspunkt, um Referenztexte dieser verschiedenen Disziplinen in den Blick zu nehmen. Im ausgewählten Abschnitt fragt Lessius, ob es erlaubt sei, einen anderen Menschen zu töten, um das eigene Leben zu verteidigen. Wir werden den dort zitierten Quellen nachgehen und versuchen, sie im Original bzw. in ggf. vorhandenen Editionen zu lokalisieren. Zu den Quellen zählen Bibel, Kirchenväter, mittelalterliche Theologen, die Corpora iuris civilis und canonici sowie zeitgenössische Autoren. Des Weiteren werden wir uns ansehen, wie diese Texte im Kontext ihrer zeitgenössischen Paradigmen organisiert sind.
Grammatische Grundkenntnisse des Lateinischen sind Teilnahmevoraussetzung. Vokabellisten zu den einzelnen Texten verteile ich zu Beginn einer Sitzung; handelt es sich um frühe Drucke oder Handschriften, stelle ich eine Liste gängiger Abkürzungen zur Verfügung.
- Lehrende/r: Konstantin Liebrand