Freundschaft, Liebe, Kreativität, Performanz, Glaube. Diese Themen scheinen so universell, dass wir uns kaum darüber nachdenken, dass unsere Sichtweise auf sie vom Alter abhängig ist. Während Identität, kulturelle Differenz und Werte in den letzten Jahrzehnten in den Geisteswissenschaften ein immer größeres Interesse erfahren hat, wurden Fragen über die Art und Weise, wie Alter, Altern und alt sein in unterschiedlichen Kontexten verstanden, interpretiert und definiert wird, bisher meist ausgeklammert. Zwar trifft ein Lebensalter immer nur einen Teil der menschlichen Existenz, aber dafür berührt es alles am Menschen, vom Schwächsten bis zum Stärksten. Beginnend mit der Frage, wer die Alter im Mittelalter definiert und welche Systematiken gebräuchlich waren, lassen sich Erwartungen an das soziale Verhalten und die biologische Funktion von Individuen eines spezifischen Lebensalters fassen. Diese Beobachtung lädt dazu ein, die Art und Weise zu hinterfragen, wie soziale Kontexte auf biologische Prozesse zurückwirken, und wie die biologischen Prozesse das soziale Leben bestimmen. Doch die Biologie stellt nur eine Schicht der komplexen Identität und der sozialen Stellung einer Person dar, was die gesamte Ambiguität von Lebensaltern zu tage bringen kann: Mit jedem Alter sind so viele positive wie negative Eigenschaften verbunden. Das jeweilige Lebensalter veranschaulicht das Paradox der biologischen Finalität und ist gleichzeitig stereotyp, da jede Person durch die Überwindung ihres Zustands zu einem Beispiel für Selbstüberwindung wird.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2022