Das Schaffen und Denken der Naturvölker hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts großen Einfluss auf Künstler wie Gauguin, Matisse, Picasso, Kirchner, Klee und andere gehabt. Nicht zuletzt durch den Aufschwung der Ethnologie wurden Materialien, Formen und Techniken der Stammeskunst auch in Europa bekannter. Die ihr zugesprochene elementare Kraft erzählt von einer Naturverbundenheit, nach der sich viele Künstler der Avantgarde sehnten. Industrialisierung, Akademismus und Unzufriedenheit mit der westlichen Zivilisation führten zu einer neuen Offenheit den Ausdrucksformen anderer Kulturen gegenüber. Durch Rezeption und Imitation ihrer Kunst hinterfragte man einerseits die europäischen Sehgewohnheiten und die aus dem Rückgriff auf die Antike entstandene Tradition des Kunstverständnisses. Andererseits suchte man in der Urtümlichkeit der Stammeskunst eine Unbeschwertheit und Naivität, mit der man dem Gefühl der Entfremdung entgegentreten wollte. Wie unterschiedlich und auf welchen Wegen sich eine Erweiterung des künstlerischen und persönlichen Bewusstseins durch den Kontakt mit dem Primitiven vollzogen hat, wird in diesem Seminar am Beispiel mehrerer Künstler untersucht.

Semester: SoSe 2022