Form und Oberflächenbeschaffenheit der Erde sind dem durchschnittlich gebildeten modernen Menschen wenigstens in ihren groben Linien bekannt: Wir alle wissen um die Kugelgestalt unseres Planeten, um den Zusammenhang der Weltmeere und die Lage der Kontinente; wo unser Wissen endet, da ist der Griff zum Weltatlas eine Selbstverständlichkeit. Die Aussage, dass dies in der Antike grundlegend anders war, scheint banal. Versuchen wir indes einmal, das uns vertraute Kartenbild konsequent beiseite zu lassen, so bringt uns die Frage, wie für einen antiken Dichter, Geographen oder Historiker die Welt ausgesehen hat, rasch in erhebliche Schwierigkeiten: Unklar ist nicht nur häufig, wie weit im Einzelfall die konkrete Kenntnis ferner Länder reichte. Problematisch ist für den heutigen Betrachter auch der Versuch, sich in die geographische Vorstellungswelt einer Gesellschaft zu versetzen, die eine nennenswerte Verbreitung von Karten als Hilfsmittel zur Darstellung nicht kannte. Und doch stellt eine wenigstens annähernde Kenntnis des jeweiligen Weltbildes eine wichtige Voraussetzung für unser Verständnis der gesamten Antike dar. Das Hauptseminat lädt dazu ein, am Beispiel ausgewählter Gewährsleute - Homer, Herodot, Polybios, Strabon, Pomponius Mela, Ptolemaios, um nur einige zu nennen - wesentliche Schritte in der Entwicklung des antiken Weltbildes nachzuvollziehen, ihre Ursachen, aber auch ihre Auswirkungen weit über die "Grenze" der Antike hinaus verstehen zu lernen.

Kurs im HIS-LSF

Semester: ST 2022