Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind nur wenige Frauen wegen ihrer Tätigkeit als KZ-Aufseherinnen verurteilt worden, während die Mehrheit von ihnen ungestraft davongekommen ist. Erst seit wenigen Jahren geraten aufgrund eines Urteils des Bundesgerichtshofes von 2016 und einer damit einhergehenden Neubewertung des Straftatbestandes „Beihilfe zum Mord“ auch sogenannte „Schreibtischtäterinnen“ wie die frühere KZ-Sekretärin Irmgard F. in den Blick der deutschen Justiz und Öffentlichkeit. Der Großteil der „arischen“ Frauen – vorwiegend Hausfrauen und Mütter – gilt jedoch nach wie vor als unpolitisch, machtlos und damit unbedeutend für die NS-Geschichte. In dem Proseminar richten wir den Blick auf die vielfältigen Lebensumstände und Biographien von Frauen im Nationalsozialismus – Opfer und Täterinnen, Widerstandskämpferinnen und Mitläuferinnen – um ein besseres Verständnis von ihren jeweils spezifischen Handlungsräumen und ihrer Schuldfähigkeit, aber auch ihrer ganz unterschiedlich gearteten Unterdrückung und Verfolgung zu erhalten. Auf diese Weise wird das Zusammenwirken von „Rasse“, Klasse und Geschlecht zum Dreh- und Angelpunkt für das Verständnis der NS-Zeit. Im propädeutischen Teil werden Sie die grundlegenden Theorien, Methoden und Hilfsmittel der neueren Geschichte kennenlernen und mit Bezug zum Thema des Proseminars erproben.
- Lehrende/r: Kerstin Dembsky