Über 30 Jahre ist es her, dass Niklas Luhmann unter dem griffigen Titel: „Ökologische Kommunikation? Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen?” der Problemlösungskompetenz des modernen politischen Systems inklusive Zivilgesellschaft (die in allerdings nicht besonders inte-res-sierte) ein schlechtes Zeugnis ausgestellt hat: die Gesellschaft steigert ihre Komplexität auf Kosten der reaktionsschnellen Flexibilität, die es für eine Direkteinwirkung auf problematische ökologische Lagen bräuchte. Das Problem: die funktionale Differenzierung steigert sektorale Effizienz, aber die Gesellschaft ist kein „historisches Subjekt”, kein kollektiver Akteur, der eine volonté générale (z.B. den Willen zum Klimaschutz) direkt umsetzen könnte – die Freistellung vielfältiger Sondersphären des Handelns vom alteuropäischen Anpassungsdruck an eine kompakte Zielvorstellung des Ganzen (an Moral z. B.) kostet hohe Einbußen an Steuerungsfähigkeit im globalen Maßstab.

Das Seminar befasst sich mit empirischen wie mit theoretischen Gründen für eine fällige Revision und Aktualisierung der alten Luhmanschen Diagnose: wie stellt sich die Steuerungsfähigkeit, d.h. die Problemlösungskapazität der Gesellschaft heute, "gefühlt": kurz vor dem globalen Kollaps, dar? Die Diskussion wird sich dabei empirisch mit aktuellen Versuche des Krisenmanagements und konzeptuell mit einer modifizierten Differenzierungstheorie befassen: im Zentrum steht die aktuelle Frage, was von "ökologischer Kommunikation" soziologisch realistischerweise zu erwarten ist.


Semester: SoSe 2022