Der Großteil geistes- und sozialwissenschaftlicher Reflexionen über das Wesen der Technik unterschlägt ihre eigene Aktivität und Existenzweise. Diese wird besonders vor dem Hintergrund der Beobachtung deutlich, dass neue Technologien nicht mehr nur in mechanischer und zweckgebundener Funktion in bestimmten Bereichen verwendet werden, sondern uns darüber hinaus in einer scheinbar verselbständigten Weise in nahezu allen Lebensbereichen begegnen. Dazu gehört, dass das Verhältnis zwischen Mensch und Technologie nicht mehr vordergründig durch körperliche Aspekte charakterisiert ist, sondern sich darüber hinaus in mentale Bereiche erweitert.

Das Wechselspiel zwischen körperlichen und mentalen Prozessen begegnet uns beim Menschen in der lebendigen Einheit des Leibes. Modi sozialer Erfahrung als leiblich-affektive Phänomene, wie beispielsweise Mitgefühl, Liebe, Trauer, Wut oder Enttäuschung schienen bisher exklusiv menschlich zu sein. Jedoch lassen gegenwärtige technologische Entwicklungen die Gewissheit über eine klare Grenze zwischen dem, was den 'lebendigen Leib des Menschen' und den 'leblosen Körper der Maschine' betrifft, brüchig werden, denn die Technologien durchdringen den menschlichen Leib und beginnen seine affektiven Dimensionen zu simulieren.

In unserem Seminar wollen wir uns mit der Frage nach der Leiblichkeit und den sie berührenden Begegnungsarten von Mensch und Technologie auseinandersetzen. Wie können wir die vielfältigen Verflechtungen zwischen beiden verstehen und welche Perspektiven darauf lassen sich finden?

Um uns in das Feld der Phänomene unseres Seminarthemas zu begeben, entwickeln wir anhand klassischer und neuerer Texte zunächst ein Verständnis von Leiblichkeit, um davon ausgehend Fallbeispiele und aktuel-le Entwicklungen zu betrachten. Dabei steht für uns auch immer die Frage im Hintergrund, welche Auswirkungen die Erkenntnisse für unser Verständnis des sozialen Lebens haben und wie wir soziologische Be-obachtungen entsprechend ausrichten können.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2022