Zur Kolonialzeit verfügte das Recht über eine differentielle Struktur, die zwischen Bürgern:innen und Kolonialsubjekten unterschied. Rechtliche Verfahren dienten einerseits der Legitimation kolonialer Machtausübung; andererseits prägte die Kolonialerfahrung die Genese des Rechts in den Kolonien, in den Kolonialländern und auf internationaler Ebene. De- und postkoloniale Ansätze setzen sich mit den Nachwirkungen des Kolonialismus bis in den heutigen Tag auseinander und fragen danach, inwiefern Rechtsetzung, Rechtsprechung und der Vollzug immer noch durch globale und nationale Machtasymmetrien geprägt sind. Sie fordern demnach eine machtkritische und geschichtsbewusste Analyse der Wirkungsweisen und Semantiken des Rechts sowie rechtlicher Institutionen (wie dem Internationalen Strafgerichtshof). Zudem erforschen sie in rechtsvergleichenden Studien vermehrt auch indigene, autochthone Rechtspraktiken und die Hybridisierung verschiedener Rechtstraditionen (vgl. u.a. den plurinationalen Konstitutionalismus). Für das adäquate Studium nicht-westlicher Rechtssysteme ist teilweise die konzeptuelle Entkopplung von Recht, Nation und Staatlichkeit notwendig. Zudem wird hierbei der im europäischen Recht verankerte Anthropozentrismus infrage gestellt, der nur Menschen als Rechtssubjekte zulässt und die Natur sowie Tiere ex ante ausschließt. In diesem Blockseminar erschließen wir zentrale Texte der zeitgenössischen dekolonialen und postkolonialen rechtsphilosophischen Literatur und diskutieren diese mit Blick auf methodische, systematische und normative Aspekte. Interessierte treffen sich zu einer Vorbesprechung am 22. Juni 2022 um 14 Uhr c.t. in R. 315 am Domplatz 23.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2022