1. Seminartermin: 28.10.2021

 

Es scheint einen weitreichenden Konsens sowohl unter Wissenschaftler*innen wie Praktiker*innen zu geben, dass die Nachhaltigkeitstransformation auf Elemente der partizipativen Demokratie angewiesen ist, wenn sie denn gelingen soll. Man hofft, dass durch die Einbindung von Bürger*innen ihr Verständnis für Nachhaltigkeitsherausforderungen und –lösungen verbessert, ihre Akzeptanz der zu schulternden Kosten der Transformation gewonnen und ihre Kreativität für die Identifikation weiterer Lösungsansätze genutzt werden kann. Gleichzeitig gibt es aber eine Vielzahl von Hürden, die für erfolgreiche partizipative Verfahren zu überwinden sind. Dazu gehören Fragen der Rekrutierung und Repräsentativität der Beteiligten, der Ausgestaltung der deliberativen Elemente, der tatsächlichen Bearbeitbarkeit zum Teil hochkomplexer Fragen durch zufällig ausgewählte Bürger*innen oder auch der Integration solcher Verfahren und ihrer Ergebnisse in die etablierten Prozesse der repräsentativen Demokratie. Ganz grundsätzlich kann man feststellen, dass die oben genannten positiven Erwartungen an den Beitrag partizipativer Verfahren zur Nachhaltigkeitstransformation auf sehr optimistischen Einschätzungen hinsichtlich der Fähigkeiten und Interessen der Beteiligenden und der Beteiligten beruhen. Kritische Perspektiven dagegen reichen von Vorwürfen einer Instrumentalisierung von Bürger*innen zur Legitimation bereits feststehender politischer Entscheidungen, über die Konstatierung eines participation overkill als Konsequenz des Versagens von Politiker*innen bis zu Hinweisen, dass solch partizipative Verfahren oft dazu neigen die Asymmetrie zwischen der Beteiligung ressourcenreicherer Bevölkerungsgruppen und ressourcenärmerer Bevölkerungsgruppen zu verstärken statt zu schmälern.

 

Das Seminar befasst sich mit Möglichkeiten und Herausforderungen partizipativer Governance im Kontext der Nachhaltigkeit vor dem Hintergrund dieser Fragen und Herausforderungen. Es untersucht zugrundeliegende Annahmen und mögliche Grenzen eines Beitrags partizipativer Verfahren zur Lösung der zentralen gesellschaftlichen Herausforderung der Gegenwart. Dabei fokussiert es auf die Bioökonomie als Anwendungsfall. In den Augen viele Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen bietet die Bioökonomie eine Möglichkeit, eine Gesellschaft durch die Nutzung von abbaubaren und wiederverwertbaren Rohstoffen unabhängiger von endlichen, fossilen Energieträgern zu machen und langfristig zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft beizutragen. Doch sieht die Gesellschaft das auch so? Wie bewertet sie unterschiedliche Vor- und Nachteile bioökonomischer, insbesondere biotechnologischer Prozesse? Das Problem mit dieser Frage ist, dass die Gesellschaft erst den Raum bekommen muss, sich informiert mit unterschiedlichen Aspekten der relevanten Prozesse auseinanderzusetzen. Gleichzeitig steht die Frage im Raum, inwieweit und wie zum Beispiel biotechnologische Sachverhältnisse von der Öffentlichkeit überhaupt adäquat bewertet werden können. In das Seminar ist eine Tagung (20.-21.1.2022) integriert, die mit dem Franz Hitze Haus durchgeführt wird, auf der die Studierenden diese Fragen gemeinsam mit verschiedenen Wissenschaftler*innen diskutieren und bearbeiten können.

 

Studienleistung: aktive Tagungsteilnahme

Prüfungsleistung: Portfolio oder Hausarbeit

Sprechstunde: Für die Sprechstunde (freitags, 9-10 Uhr) ist eine Anmeldung unter sustainability@uni-muenster.de notwendig.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2021/22