‚Räume‘ (topografische, semantische, metaphorische) strukturieren literarische Texte. Sie sind maßgeblich am Aufbau der Textwelt beteiligt, konstituieren Ordnung und Abweichung, an ihren Grenzen findet Spannung, Austausch oder Wandel statt. So weit, so gut. Doch wie mit solchen Texten verfahren – und genau hier setzt unser Seminar an – bei denen diese Räume im Kontext komplexerer Deutungszusammenhänge, sogenannter ‚Raumkonzepte‘ stehen? Die Bedeutung von Räumen wird hier zu einer Frage der Perspektive, des Welt- und Menschenbildes, der Ordnung, aus der heraus sie entsteht. Mit Raumkonzepten verhandeln Texte ‚Raum‘ als ‚Konzept von Raum‘, legen dadurch ihren Bauplan offen und reflektieren sich als ein Modell kultureller Selbstbeschreibung.
An diese Überlegungen anschließend beschäftigt sich das Seminar mit folgenden Fragen: Welche Art von Texten eignet sich für eine solche Betrachtung? Mit welchen Verfahren entwerfen diese Texte dann ihre Räume im Kontext von ‚Raumkonzepten‘? Welche abstrakten Ordnungsmuster und Grenzüberschreitungen werden dadurch vom Text räumlich modelliert? Welche Konsequenzen hat diese Betrachtungsweise für die (Selbst-)Positionierung und Deutung dieser Texte (historisch/kulturell)?
Neben der Erarbeitung methodischer und theoretischer Grundlagen einer raumsemantischen Betrachtungsweise, steht im Fokus dieser Veranstaltung vor allem die gemeinsame Analyse ausgewählter Texte (Film, Literatur, Werbung) im Hinblick auf ihre Raumkonzepte.

Für die erste Sitzung bitte ich Sie, folgenden Text vorzubereiten:
Krah, H. (2019): Raum und Grenze. Schriften Zur Kultur- Und Mediensemiotik | Online, (4), 73-110. (https://doi.org/10.15475/skms.2018.2.3)

Literaturliste (wird im Seminar besprochen und ggf. ergänzt):

Gräf, Dennis (et al.) (2017): Filmsemiotik, Marburg.
Lotman, Jurij (1990): Über die Semiosphäre, in: Zeitschrift für Semiotik. 12, 1990, S. 287–305.
Nies, Martin (2018): „B/Orders – Schwellen – Horizonte. Modelle der Beschreibung von Räumen und Grenzen in ästhetischer Kommunikation – eine raumsemantische Positionsbestimmung“, in: Martin Nies (Hg.): Raumsemiotik. Räume – Grenzen – Identitäten, Marburg.
Nies, Martin (2011): „Kultursemiotik“, in: Christoph Barmeyer / Petia Genkowa / Jörg Scheffer (Hgg.): Kommunikation und Kulturwissenschaft: Grundbegriffe, Wissenschaftsdisziplinen, Kulturräume. Passau (Zweite, erw. Auflage), S. 207-225.
Turk, Horst (1990): „Alienität und Alterität als Schlüsselbegriffe einer Kultursemantik“, in: Jahrbuch für internationale Germanistik, Jg. 22, H. 1, S. 8-31.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WT 2021/22