Der Kurs beschäftigt sich in einer bestimmten Hinsicht mit der zerklüfteten Einheit des sog. »Interpretativen Paradigmas« (bzw. der »qualitativen Methoden« der Sozialforschung). Von Einheit kann man zunächst sprechen, da es neben entsprechend lautenden Titeln von Publikationen nach vor hoch im Kurs ist, »empi-rische« Forschungsvorhaben »qualitativ« aufzustellen (z.B. im Rahmen von Abschlussarbeiten). Zumeist wird damit eine Abgrenzung gegenüber »quantitativ-statischen« Erhebungen und Auswertungen beabsichtigt. Man wünscht »Nähe«, »Tiefgang«, Steigerung der Durchdringungstiefe der zu untersuchenden Materie und sucht damit nicht selten nach Wegen, dem Eindruck eines allzu klinischen Sinnbewirtschaftung des gewählten Gegenstands durch quantifizierende Wahrscheinlichkeitsbehauptungen der Korrelationsforschung zu entgehen. Die Einheit darf allerdings durchaus als »zerklüftet« gelten, insofern es zum einen höchst umstritten ist, was überhaupt zu erheben ist, damit das Prädikat »qualitativ« zuerkannt werden kann. Zum anderen ist die Problematik der Begrenztheit der Reichweite der analytischen Ergebnisse innerhalb der unterschiedlichen Perspektiven durch verschiedentliche (meist konstitutionstheoretische) Vorkehrungen bisweilen bis in die Unsichtbarkeit hinein verzerrt.

Der Kurs geht deshalb problemorientiert vor. Es geht in einer ersten Hinsicht um die Frage, worin überhaupt der sachliche Bezug besteht, sinnrekonstruktiv bzw. hermeneutisch vorzugehen. Was für das »Ver-stehen« heranzuziehen ist, wenn Handeln und Handlungen erklärt werden (sollen), variiert je nach Bezugskontext (Personen, »Praktiken«, Systeme) erheblich. Von da ausgehend verlangt der Fokus des Kurses in einer zweiten Hinsicht eine pointierte Zur-Kenntnis-Nahme des breiten Stroms der Theorie sozialer Diffe-renzierung bzw. der soziologischen Theorie der Integration moderner (»gesamt-gesellschaftlicher«) Verhältnisse. Dabei steht nicht zuletzt die Frage im Zentrum, inwieweit die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Struktureigentümlichkeiten mit dem »interpretativen« Zugang in Beziehung gesetzt werden können. Erst beide Hinsichten kombiniert erlauben, nach Aspekten und Möglichkeiten der (wenigstens indi-rekten) Konvergenz Ausschau zu halten. Dabei steht nicht allein die Frage im Vordergrund, wie einzelne Perspektiven sich »ergänzen«, sich ausschließen, sich an einzelnen Stellen möglicherweise überbieten. Fraglich ist vielmehr, was im Lichte der zwingenden Zugeständnisse an den »Gegenstand« der Soziologie für eine dezidiert differenzierungstheoretische Heuristik für die interpretative Soziologie abschöpfbar sein könnte. Als Teilnehmer sollten Sie auf der Basis dessen nach der erfolgreichen Teilnahme am Kurs in der Lage sein, in Form einer schriftlichen Ausarbeitung beschreiben zu können, was die Bearbeitung eines (selbst gewähl-ten) Untersuchungsgegenstands mit einem gewählten Erhebungs- und Auswertungsverfahren mit sich bringt bzw. an Zugeständnissen (an den Untersuchungsgegenstand) erzwingt.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2021/22