Wer kennt nicht Till Eulenspiegel? Nicht erst mit dem Druck des „Dil Ulenspiegel“ von 1515 hat die Figur des boshaft-witzigen Schalks eine beispiellose Karriere hingelegt, die bis heute nicht beendet ist. Dabei handelt es sich doch um eine Figur, die wohl kaum anschlussfähig ist, die vielmehr immer neuen Ärger provoziert, wenn sie in derben Streichen der Gesellschaft gleichsam einen Spiegel vorhält und in Verzerrungen kollektiver Vorstellungen und mitunter radikalen Überschreitungen gesellschaftlicher Normen diese von Grund auf in Frage stellt und verhandeln lässt. So mag aber gerade hierin ein Potenzial liegen, das zu immer neuen Auseinandersetzungen mit ihr herausgefordert und zu vielseitigen Bearbeitungen ihrer Geschichte angeregt hat. In der Narrenliteratur des 16. Jahrhunderts finden denn die Erzählungen vom Eulenspiegel bereits einen reichhaltigen Nährboden und schon Hans Sachs hat ihn auf die Bühne gebracht, bis Erich Kästner mit seiner Nacherzählung von 1938 für seine nachhaltige Popularität gesorgt und zuletzt Daniel Kehlmann 2017 ihm als Tyll einen ganz eigenen Anstrich verpasst hat.

Das Seminar möchte ebendiesem Potenzial nachgehen und die jeweiligen narrativen Eigenlogiken der verschiedenen Bearbeitungen aufdecken, die das Erzählen vom Eulenspiegel so produktiv macht. Der Schwerpunkt der gemeinsamen Arbeit im Seminar wird dabei auf dem frühneuhochdeutschen Text liegen, um diesen vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und kulturellen Ordnung am Beginn der Frühen Neuzeit zu lesen. Eine sich hieran anschließende Lektüre der modernen Adaptationen mag denn gerade auch die spezifischen historischen wie dann jeweils zeitgenössischen Strategien des Erzählens von Dil, Till und Tyll Kontur verleihen.

Voraussetzung für die Teilnahme am Seminar ist die Bereitschaft, sich regelmäßig und aktiv am Seminar sowie an der gemeinsamen Arbeit in Gruppen zu beteiligen.

Textgrundlage:

Ein kurzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Nach dem Druck von 1515 hrsg. von Wolfgang Lindow. Bibliographisch ergänzte Aufl. Stuttgart: Reclam 2003. ISBN 978-3-15-001687-9

Erich Kästner: Till Eulenspiegel. Hamburg: Atrium 2018. ISBN 978-3-85535-614-0

Daniel Kehlmann: Tyll. Hamburg: Rowohlt 2019. ISBN 978-3-499-26808-3

Weitere Texte sowie Materialien zur Vor- und Nachbereitung der einzelnen Sitzungen werden in einem das Seminar begleitenden Learnweb-Kurs bereitgestellt. Informationen zum Kurs folgen in der ersten Sitzung des Seminars.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2021/22