Im zentralen politikwissenschaftlichen Forschungsfeld der EU-Studien kann seit geraumer Zeit die Etablierung eines konzeptionellen und methodologischen ‚Mainstreams‘ beobachtet werden, der tief in rationalistischen Forschungsparadigmen verankert ist und sich selbst in institutionellen und diskursiven Kontexten reproduziert. Wie Ian Manners und Richard Whitman (2016) argumentieren, zeigen allerdings insbesondere die multiplen Krisen der EU in jüngerer Zeit die Grenzen etablierter neoliberaler und intergovernmentaler Theorieschulen auf und laden kritische und ‚dissidierende‘ Perspektiven auf die EU-Studien ein. In dieser Lesart sollten Machtbeziehungen oder die Rolle von Narrativen und Praktiken für politische Dynamiken in der EU und in den EU-Außenbeziehungen stärkere Aufmerksamkeit erfahren und auch der Mehrwert beispielsweise postkolonialer oder poststrukturalistischer Theorien für die EU-Forschung erschlossen werden.

 

In diesem Lektürekurs sollen einige wegweisende und aktuelle Beiträge erschlossen werden, die den ‚Mainstream‘ der EU-Studien erweitern. Hierzu werden in einem ersten Schritt grundlegende theoretische Ansätze und Debatten des Forschungsfeldes aufgearbeitet und wegweisende analytische Konzepte wie etwa die Multlievel Governance hierin verortet. Im zweiten Teil des Kurses werden dann ausgewählte Impulse und Studien aus dem Bereich alternativer theoretischer Ansätze gemeinsam erarbeitet. Eine Reflexion über die Relevanz dieser Ansätze für (eigene) Forschungsarbeiten bildet den Abschluss des Seminars.

 

Die Teilnehmenden des Kurses erweitern ihr Wissen über theoretische Konzepte zur Erforschung der Europäischen Union und anderer regionaler politischer Dynamiken. Sie lernen zentrale Ansätze der EU-Studien kennen und können diese im Forschungsfeld verorten. Methodisch erwerben die Teilnehmenden Fähigkeiten in der Erschließung konzeptioneller Forschungsarbeiten und deren Anwendbarkeit für eigene Projekte.

 

Der Kurs setzt die Bereitschaft zur intensiven Arbeit an englischsprachigen Fachartikeln heraus, die die die Grundlage für die Diskussionen im Seminar bilden. Erste Kenntnisse der EU-Forschung, etwa aus Veranstaltungen der Internationalen Beziehungen oder zur Europäischen Integration sind wünschenswert aber nicht zwingend erforderlich. Als Studienleistung ist die Übernahme einer Textpatenschaft (Vorstellung des Hintergrunds & Kernarguments, Klärung zentraler Begriffe) sowie die Anfertigung eines Sitzungsprotokolls vorgesehen. Der Kurs kann mit einer Prüfungsleistung in Form einer Hausarbeit (nach Maßgabe der Studienordnung) abgeschlossen werden. Weitere Absprachen zur Kursgestaltung werden in der ersten Seminarsitzung getroffen.#

 

Lektüre zur Einführung:

Manners, Ian; Whitman, Richard (2016): Another Theory is Possible: Dissident Voices in Theorising Europe. Journal of Common Market Studies 54(1), pp.3-19. doi: 10.1111/jcms.12332.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2021/22