Der Titel ist dem unvollendeten Passagenwerk von Walter Benjamin entnommen. Paris steht hier exemplarisch für die moderne Metropole schlechthin, die französische Hauptstadt nimmt die Entwicklung vor-weg, die für die moderne Großstadt allgemein typisch sein wird. In diesem Prozess bedingen sich wechselseitig die städtebaulichen Veränderungen, der soziale Wandel und die politischen Umwälzungen. Literatur und Kunst sind Teil, aber auch Spiegel und Kritik dieses Prozesses sowie schließlich kreativ-konstruktiver Gegenentwurf. Es entsteht eine Art „imaginaire métropolitain”. Zumal die Romangattung verdankt diesem Prozess ihren histo-rischen Aufstieg. Zu nennen sind vor allem die großen Werke von Victor Hugo (Notre-Dame de Paris, 1831 und Les Misérables, 1862), Le Rouge et le Noir von Stendhal (1830), Illusions perdues (1834) von Balzac, L’Éducation sentimentale von Flaubert (1869) und schließlich Le Ventre de Paris (1873) und Au Bonheur des Dames (1883) aus dem Zyklus Les Rougon-Macquart und Paris (1898) aus der Trilogie Les trois Villes von Emi-le Zola.

In den 1840er Jahren entsteht ein neuer Typus von Erzählliteratur: der Feuilletonroman. Er erreicht ein Massenpublikum und trägt zugleich zur Kommerzialisierung der Literatur bei. Mit Les Mystères de Paris (1844) von Eugène Sue und Les Mohicans de Paris (1854) von Alexandre Dumas père wird Paris selbst zum Thema.

Im Kontext der Revolution von 1830 wird auch die Lyrik zur Stadtliteratur wie etwa in Les Feuilles d‘automne(1831) und Les chants du crépuscule (1835) von Victor Hugo. In dieser Tradition bewegen sich auch Les Tableaux Parisiens (in Les Fleurs du Mal, 1861) und die Prosagedichte Le Spleen de Paris (posth.) von Charles Baudelaire.

Ein spezifisches Bewusstsein der Metropole kommt am Ende des 18. Jahrhunderts in den sog. Tableaux de Paris zum Ausdruck (Mercier, Rétif de la Bretonne), die während des gesamten 19. Jahrhunderts ihre Nach-ahmer finden (z.B. Le livre des cent-et-un, 1832), bis schließlich Jules Vallès diese Gattung beendet (1883).

Einen spezifischen Blick auf die französische Hauptstadt werfen die Operetten von Jacques Offenbach, insbesondere La Vie parisienne (1866).

Die Analyse der literarischen Werke gibt immer wieder die Gelegenheit, parallele oder auch abweichen-de Entwicklungen in den bildenden Künsten zur Kenntnis zu nehmen (z.B. die Bildsatire von Daumier u.a.; und die Malerei von der Romantik über den Impressionismus und den „divisionisme” bis zum art nouveau).

Den Teilnehmer*innen werden Textauszüge und Bildmaterialien zur Verfügung gestellt.

Die Veranstaltung findet online statt.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2021