Viele erfolgreiche Gegenwartsromane befassen sich mit Mensch-Roboter-Interaktionen. Sie schöpfen ihren Witz und ihre Pointen gerade aus den (fiktiven) Komplikationen und Missverständnissen, die sich zwischen Menschen und (ihren) Robotern ergeben können. Ian McEwan schrieb 2019 über „Machines Like Me. And People Like You“ (Penguin). Rob van Essen zitiert in „Der gute Sohn“ (homunculus 2020) Nick Cave und Bladerunner und nutzt einen Roboter als Mittel zum Zweck (respektive V-Effekt). Welchem Zweck „Dave“ überhaupt dient, erfährt man bei Raphaela Edelbauer (Klett-Cotta 2021) erst ziemlich spät. Sie hat sich aber ersichtlich mit Nick Bostroms „Superintelligence“ (OUP 2014) auseinandergesetzt. – Was zeichnet diese Literatur aus? Was fasziniert uns an der Frage, ob Roboter gut küssen können oder ob das Zusammentreffen mit einem Roboter innerhalb einer Paarbeziehung als ‚Fremdgehen‘ interpretiert werden kann?
Im letzten Sommersemester habe ich ein Masterseminar zum Thema „Künstliche Intelligenz als moralischer Akteur“ angeboten; dieses Seminar knüpft daran an, befasst sich aber mit Fragen, die dort nicht zur Sprache gekommen sind: Social Robotics. Was steckt hinter diesem recht jungen Feld der Technikentwicklung und – begleitend – auch der Technikethik? Was heißt ‚Social Robotics‘? Ist die Robotertechnik sozial geworden? Sind Roboter neuerdings soziale Wesen, wie von den Romanautor*innen nahegelegt? Ist das ‚social‘ in diesem Ausdruck etwa so zu verstehen wie in ‚Social Media‘? Als Vehikel der zwischenmenschlichen Kommunikation? Oder geht es primär um die Mensch-Roboter-Interaktion? – Ich lasse die Frage an dieser Stelle offen; sie wird aber selbstverständlich Inhalt des Seminars sein.
Praktische Anwendungsbereiche von Robotern sind gar nicht so romantisch, wie die Romanautor*innen sich das z.T. vorstellen. Der Einsatz von Robotern in der Pflege ist ethisch umstritten. Auch der Einsatz von Robotern im schulischen Unterricht wird kontrovers diskutiert. Was wäre, wenn dieses Seminar von einem Roboter statt einer menschlichen Dozentin unterrichtet würde? Sollten Roboter menschenähnlich (anthropomorph) gestaltet sein? Oder gerade nicht – wie etwa die vielzitierte Uncanny Valley-Hypothese (Masahiro Mori 1970) nahelegt? Inwiefern handelt es sich dabei um eine Frage, mit der sich die angewandte Ethik befassen sollte? Können Roboter Emotionen oder eine Persönlichkeit haben? Diese Fragen verweisen in die philosophische Anthropologie; es ließe sich argumentieren, dass wir es mit einer neuen Variante der Frage nach der anthropologischen Differenz zu tun haben. Im Seminar verschaffen wir uns einen Überblick über die ethischen Fragen sozialer Robotik. Das Seminar kann den Bereichen der Philosophischen Anthropologie, Ethik der Mensch-Maschine-Interaktion, Technikethik, Roboterethik u.a.m. zugeordnet werden. Auch wenn wir uns anfänglich mit Beispielen aus der Gegenwartsliteratur beschäftigen, ist dies kein Seminar über philosophische Literaturtheorie, literarische Ästhetik o.ä.
- Lehrende/r: Katja Stoppenbrink