Baruch de Spinoza (1632–1677) war neben Descartes und Leibniz einer der wirkmächtigsten Rationalisten der frühen Neuzeit. In seiner Philosophie geht er von der anti-cartesischen Annahme eines strikten Substanzmonismus aus: Es gibt nur eine einzige, einheitliche, unendliche und ewige Substanz, die in sich selbst ist und nur aus sich allein heraus erkannt werden kann. Diese These hat viele Implikationen, die dem ersten Anschein nach unplausibel, ja absurd sind. So ist die Welt nach Spinoza nicht von Gott geschaffen (was nur möglich wäre, wenn Gott und Welt verschiedene Substanzen wären), sondern die Welt und Gott sind ein und dasselbe. Neben der Frage nach Gott ist aber vor allem die Frage nach dem Menschen in Spinozas Philosophie zentral. Obwohl in der rationalistischen Denktradition stehend, entwickelt Spinoza eine ausgearbeitete Theorie der Gefühle. In seiner präzisen Beschreibung mentaler Erlebnisse erweist er sich dabei als früher Vordenker einer philosophischen Psychologie: Spinoza handelt von Liebe und Hass, von Freude und Trauer, von Hoffnung und Furcht, von Spott und Scherz sowie von Reue, Scham und Unverschämtheit; er expliziert, was der menschliche Wille ist, und worin sich dieser von der bloßen Begierde unterscheidet.
Spinozas Hauptwerk Ethica ist begrifflich komplex und formal anspruchsvoll aufgebaut – was dem Zugang zu seiner Philosophie wenig förderlich ist. Ich lege dieser einführenden Veranstaltung in seine Philosophie deshalb ein Frühwerk zugrunde, das er vor seinem 30. Geburtstag verfasst, zu Lebzeiten aber nie publiziert hat. Der Kurze Traktat ist weder konzeptuell abgeschlossen noch stilistisch homogen ausgearbeitet – aber gerade deshalb eine aufregende Grundlage für den philosophischen Diskurs darüber, was uns Menschen ausmacht und was uns bewegt. Einer der großen Philosophen der frühen Neuzeit liefert hier auf nur 100 Druckseiten, teils in der Form strenger Argumentation, teils in informellen und lebensnahen Erläuterungen, seine Antworten auf die Fragen, warum es Gott geben muss, was der Mensch sei und worin sein Glück besteht – was will man mehr?
- Lehrende/r: Martin Hoffmann