In der aus den schriftlichen Quellen erkennbaren historischen Realität der Vormoderne treten uns scheinbar bekannte und ebenso offenbar fremdartige Ereignisse entgegen. Vieles hängt an den dafür gewählten Begriffen, in den Quellen einerseits, in der modernen Beschreibung andererseits. Das Wortfeld „Internationalität“ gibt es im Sprachgebrauch mittelalterlicher Quelle nicht, „Außenpolitik“ oder „Diplomatie“ auch nicht. Dennoch hat es alle diese Dinge gegeben in der historischen Realität. Von ihnen wird in den Quellen ausführlich berichtet, aber in den Begriffen und mit dem Verständnis der damaligen Gesellschaft: Man wusste, wo die Grenzen zwischen Herrschaftsgebieten verliefen, welche Wege zu fremden Höfen führten, wie man sich dort zu verhalten hatte und wie man Verträge und Allianzen vorbereitete, Konflikte einhegte oder auch Kriege erklärte. Noch ohne formales diplomatisches Personal waren Boten und Gesandte ständig unterwegs und übernahmen Angehörige der Fürstenhöfe, reisende Kleriker oder auch Kaufleute wichtige Botschaften. Die Städte entwickelten eigenständige diplomatische Praktiken, um untereinander und mit den Höfen zu kommunizieren. Dabei blickten die Akteure nicht selten auf die Weite der bekannten Welt. Globalität und Interkulturalität waren als Vorstellungen noch unbekannt, wurden aber in der Diplomatie zwischen den Ländern praktiziert.
- Lehrende/r: Martin Kintzinger