„[…] e cominciò la gran follia, sí orrenda, che de la piú non sarà mai ch’intenda” (XXIII, 133, 7-8). – Nicht allein der Wahnsinn des (liebeskranken) Titelhelden Orlando, sondern auch andere menschliche Affekte stehen im Zentrum von Ludovico Ariostos (1474-1533) Cinquecento-Bestseller L’Orlando furioso, der an den unvollendeten Orlando innamorato (1483) des Matteo Maria Boiardo anschloss und in den Jahren 1516, 1521 und 1532 in jeweils erweiterten Fassungen erschien. Eingebettet in die Motivwelt der Karolinger-Epik verfängt sich der/die LeserIn rasch in einem labyrinthischen Gewebe aus kunstvoll miteinander verschlungenen Erzählsträngen, die den Rahmen – den Glaubenskrieg zwischen Christen und Sarazenen – unwillkürlich sprengen. Anhand ausgewählter Kapitel und Episoden will das Seminar Zugänge zu diesem magmatischen Textgeflecht eröffnen: Der Motivkomplex des Phantastisch-Wunderbaren (Magie, Metamorphose, Monster, Truggebilde, Labyrinthe, phantastische Reisen etc.) soll uns hierbei als Schlüssel zu einem Werk dienen, welches den Werte- und Episteme-Wandel der Renaissance durchaus reflektiert. – Geschehen und Figuren können aus historisch-politischen, philosophisch-theologischen, poetologisch-intertextuellen, genderspezifischen und postkolonialen Blickwinkeln betrachtet werden. Ebenso soll der durch die Rezeption der aristotelischen Poetik ausgelöste, am Furioso sich entzündende romanzo-Streit erörtert werden, der die zweite Hälfte des Cinquecento beherrschte und neben den anderen Debatten wie bspw. den Groteskenstreit eine entscheidende Rolle für die Herausbildung unserer modernen Ästhetik spielte.

 

 

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2021