Integration ist ein geläufiges Wort, bei dem man meist gleich eine klare Vorstellung zu haben meint. Diese Vorstellung bezieht sich seit längerem in der Regel auf die zugewanderten Minderheiten, die nun in ein bestehendes Ganzes eingeholt werden bzw. sich an bestehende Ordnung mit eindeutigen Werten und Normen anpassen sollen. Bei einem genauen Hinsehen stellt sich jedoch heraus, dass der Begriff der Integration von den Anfängen der Soziologie her eigentlich auf die Möglichkeit und Bedingungen eines gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalts bezogen wurde, der in der Moderne offenbar nicht mehr als gegeben vorausgesetzt werden konnte. In diesem Kurs werden wir uns zunächst einmal mit dieser basalen Gebrauchsweise des Integrationskonzeptes befassen. Zugleich werden wir uns mit dem aktuelleren, viel stärkeren Fokus der Integrationsdebatte auf zugewanderte Minderheiten zu beschäftigen haben. Bestehende Integrationsansätze, aber auch alternative Konzepte wie Diversität sowie Inklusion werden Gegenstand des Seminars bilden. Wie wird Integration beschrieben, auf welche Weise wird sie gemessen, in welchen Programmen wird sie materialisiert? Zugleich wird die kritische Frage zu stellen sein, ob der Integrationsbegriff tatsächlich adäquat ist, um die lebensweltliche Wirklichkeit jüngerer Generationen zu erfassen, und welche Implikationen das Integrationsgebot mit sich führt. Es wird auch die Kehrseite des Integrationsdiskurses beleuchtet, nämlich inwiefern dieser die Vorstellung einer hochgradig homogenen einheimischen Gesellschaft dauernd mitproduziert, in die dann die anderen integriert werden sollen, so wie auch die zu Integrierenden ihrerseits homogenisiert werden. Gleichwohl wird auch diskutiert werden, ob denn der Integrationsbegriff so leicht zu verwerfen sei, wie in Teilen der Migrationsforschung inzwischen gefordert wird, und ob ein pragmatischer Gebrauch von ihm möglich sein, der die Homogenisierungseffekte zurücknimmt, dennoch brauchbar bleibt.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2021